Für unsere neuen Serie "In den Kochtopf geschaut" gewähren uns Köche Eintritt in ihre Küchen und Einblicke in ihre Kochtöpfe.

Ende Oktober, den Gänsen geht es an den Kragen. Stefan Schartner bittet in seine Küche. Der Küchenchef des "Herrlich" bereitet eine gefüllte Martini-Gans zu. Wir durften ihn mit der Kamera begleiten.

"Bitte folgen Sie mir!", sagt Stefan Schartner und führt in sein Reich. Seit exakt einem Jahr ist der 35-Jährige Küchenchef im "Herrlich" und als Chef de Cuisine für die gesamte Gastronomie im Steigenberger Hotel Herrenhof in der Wiener Innenstadt verantwortlich.

Foto: derStandard.at/tinsobin

Schartners Liebe zum Kochen beruht auf den Speisen seiner Mutter, gelernt hat er im Hotel-Restaurant Tulbinger Kogel. Zu seinen Lehrmeistern zählen Reinhard Gerer und Werner Matt. In der Spillerner Gastwirtschaft erkochte er sich seine erste Gault-Millau-Haube, um anschließend das Wiener Publikum mit seinen Kreationen in Hollmanns Salon zu verwöhnen.

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"Eine Gans von gut vier Kilogramm ergibt sechs Hauptspeisen-Portionen", sagt Schartner. Die Garzeit beträgt insgesamt dreieinhalb Stunden. Von einem Vier-Pfoten-geprüften Betrieb aus Ungarn bezieht der Küchenchef seit Jahren seine Gänse - bei gleichbleibend hoher Qualität. "Eine perfekte Gans zu kaufen ist gar nicht so schwer: Schauen Sie, dass die Gans im Kühlregal frisch ist und dass sie nicht knüppelhart, aber auch nicht lapprig weich ist. Der Fettgehalt spielt eine große Rolle", erklärt Schartner. "Diese Gans war viel unterwegs und wurde nicht gemästet", erkennt er am gleichmäßigen, nicht zu üppigen Fettposter am hinteren Ende der Gans. Trotzdem muss er weg. Der Koch entfernt das Kernfett ...

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... und trennt die Flügel am ersten Gelenk ab. Dann säubert er den Hohlraum der Gans mit Küchenrolle - "Man kann ihn auch auswaschen, wenn noch viel Blut drinnen ist" - und streut Salz hinein. Schartner kocht mit Liebe und Leidenschaft und bringt großen Respekt vor den Produkten mit. "Ich versuche, alles von einem Tier zu verarbeiten, es muss nicht immer nur Filet und Rostbraten sein", sagt der "Herrlich"-Küchenchef, der gerne in alten Kochbüchern stöbert und sich von saisonalen Produkten inspirieren lässt. 

Das Kernfett und die Flügel kommen in den Fond.

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Dafür werden die Fleischabschnitte zuerst im Rohr geröstet und dann in einem Topf mit Wurzelgemüse und Zwiebel weitergebraten.

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Schartner gibt Tomatenmark dazu und löscht mit Orangensaft und Rotwein ab. Lorbeerblatt, Pfefferkörner und Salz dazu und mit etwas Bratenrückstand und Geflügelfond aufgießen, ein wenig köcheln lassen, abseihen und leicht abbinden.

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Für die Gans-Fülle nimmt Schartner 300 Gramm Knödelbrot, einen halben Liter warme Milch, zwei Eier, 150 Gramm gewürfelte und kurz in Butter angeschwitzte Zwiebeln, 200 Gramm Apfelstücke, je nach Vorliebe diverse Trockenfrüchte und gehackte Petersilie; als Gewürze genügen Pfeffer, Salz und Muskat. Diese Mischung lässt er eine halbe Stunde lang ziehen.

Eine gute Handvoll Apfelstücke legt der Küchenchef beiseite ...

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... und gibt sie als Erstes in die Gans. Dann folgt die Semmel-Apfel-Fülle. "Nicht zu viel Fülle reingeben und nicht zu fest stopfen, denn sie geht im Rohr auf", empfiehlt Schartner. 

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Die Gans mit einem Cocktailspieß zumachen und rundherum salzen. Dann kommt sie bei 100 °C und 100 Prozent Feuchtigkeit in den Dampfgarer. "Hat man keinen zu Hause, kann man sie auch in einem großen Topf mit Wasser bedeckt eine Stunde lang bei 95 °C ziehen lassen", sagt Schartner, "so wird später im Rohr die Haut gleichmäßig weich und knusprig."

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Nach dem Dampfbad kommt die Gans eine Stunde lang bei 180 °C Heißluft auf einem Gitterrost ins Rohr, bis sie goldbraun ist. Dann reduziert Schartner die Hitze auf 100 °C und lässt die Gans eine weitere Stunde lang ziehen.

Die Marinade besteht aus je zehn Gramm Majoran und Rosmarin, zehn Milliliter Honig, verrührt mit 50 Milliliter Wasser, 20 Milliliter Geflügelfonds und 20 Milliliter Sojasauce. Schartner bestreicht die Gans damit und gibt sie nochmals zehn Minuten lang bei 200 °C ins Rohr, damit sie richtig knusprig wird.

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Bereits am Vortag hat Schartner die Erdäpfel für die Knödel gekocht, schält sie aber erst jetzt - "dann ist die Feuchtigkeit draußen". Auf sechs Personen kommen 800 Gramm mehlige Erdäpfel, 400 Gramm Mehl, drei Dotter, zwei Eier, 100 Gramm flüssige Butter, Salz, Pfeffer und Muskat. Die gepressten Erdäpfel auf die Arbeitsfläche geben, dann das Mehl, Butter, Eier und Gewürze drauf geben und rasch zu einem kompakten Teig verarbeiten.

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Gemeinsam mit seinem Commis, Herrn Brito, bettet Stefan Schartner in die Mitte jedes Knödels zwei Brotwürfel ein, "das bringt eine pikante Note rein". Dann kocht er sie in siedendem Wasser, bis sie an die Oberfläche schwimmen. "Man kann sie dann noch ziehen lassen, aber maximal 15 Minuten."

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Das Rotkraut lässt Stefan Schartner in feine Streifen geschnitten 12 bis 24 Stunden lang marinieren, bevor es in den Kochtopf kommt. Die Ingredienzien dafür sind Rotwein, Orangensaft und -schale, Zitronensaft und -schale, Preiselbeeren, Lorbeerblatt, Zimt, Nelken, Piment, Pfefferkörner und Salz.

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Zwei Teile Rotkraut, ein Teil Zwiebel und Zucker je nach gewünschter Süße, lautet Schartners Faustregel - im Bild gemeinsam am Herd mit seinem Sous Chef Herr Levente.

Für die Zubereitung lässt der Küchenchef Kristallzucker in der Pfanne karamellisieren, ...

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... gibt die Zwiebelringe hinein ...

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... und das marinierte Rotkraut. Dann lässt er es auf kleiner Flamme etwa 15 Minuten lang zugedeckt weich kochen, bindet es am Ende mit etwas Maizena ab und lässt es weitere 30 Minuten ruhen, um es kurz vor dem Anrichten wieder zu erwärmen.

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Bald ist die Gans fertig, nun gilt es, die letzten Vorbereitungen zu treffen: Für die Maroni wird Zucker hell karamellisiert. Maroni dazugeben und mit Gemüsefond aufgießen, kurz köcheln lassen mit etwas Stärke abbinden und unter Rühren glacieren.

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Nun kommt die Gans aus dem Rohr und will tranchiert werden. Wie das vor sich geht, zeigen wir in einer eigenen Ansichtssache >>>

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Die Keulen und danach die Brust werden aus dem Knochengerüst gelöst, ...

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... die Semmel-Apfel-Fülle in Scheiben geschnitten.

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Viele verschiedene Teile gilt es nun möglichst gerecht auf den Tellern zu platzieren.

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Der Fond hat nun eine sämige Konsistenz angenommen und wird auf dem Teller unter die Gans gegossen. Im "Herrlich" steht er auch in einem Extra-Kännchen am Tisch.

Über 35 Sitzplätze im "Fine Dining" und insgesamt 120 als Maximalauslastung für Events verfügt das "Herrlich". Schartner und sein Team bringen täglich 300 Frühstücke, 100 Lunchs und 50 Dinners inklusive Bankett und Roomservice auf den Tisch. Dafür braucht es in der Küche 17 MitarbeiterInnen inklusive Lehrlingen.

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"Fett ist besser verträglich, wenn wir es mit Grapefruit kombinieren", weiß Schartner und filetiert Grapefruits, um sie leicht angewärmt zur Gans zu servieren.

Foto: derStandard.at/tinsobin

Voilà, das Ergebnis liegt fertig am Teller angerichtet und kann sich, samt herbstlicher Tisch-Deko im Hintergrund, sehen lassen. Dank an Stefan Schartner und seine "Herrlich"-Küchencrew. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 31.10.2012)

Das "Herrlich" bietet übrigens auch ein "Gans to go"-Service an: Eine knusprige Gans wird inklusive traditioneller Beilagen und Rotwein auf Wunsch direkt ins eigene Heim geliefert.

Foto: Christian Houdek