Für Heide-Marie Smolka ist das Leben im Hier und Jetzt eine essenzielle Voraussetzung, um glücklich werden zu können.

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Soeben hat Heide-Marie Smolka das Kinderbuch "Bertl und Adele suchen das Glück" mit Illustrationen von Brigitta Knoll veröffentlicht.

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Heide-Marie Smolka verfasst "Glücks-Trainingsbücher" für Erwachsene und Schüler. Mit ihrem neuen Werk "Bertl und Adele suchen das Glück" will sie Menschen ab vier Jahren beglücken. derStandard.at sprach mit ihr über dieses schwer fassbare Gefühl.

derStandard.at: Glück ist ein diffuser Begriff für ein relativ schwer zu fassendes Gefühl. Was versteht die Glücksforschung darunter?

Smolka: Die Sprachverwirrung kommt daher, dass im Deutschen die Bedeutungen "Glück haben" und "glücklich sein" in einem Wort zusammenfallen. Jede andere Sprache hat zwei Begriffe dafür. Im Englischen sind das etwa "luck" und "happiness". Auf das "Glückhaben" kann ich keinen Einfluss nehmen - das gibt der Zufall vor. Beim "Glücklichsein" kommt es hingegen auf meine Einstellung, meine Achtsamkeit, meine Neugierde meinen Humor und so weiter an. Hier unterscheidet die Psychologie zwischen zwei Hauptgruppen: dem kognitiven Glück und dem hedonistischen Glück - also dem Nachdenken über das Glück und der emotionalen, sinnlichen Kategorie, wo ich mit meiner Aufmerksamkeit stark im Hier und Jetzt verankert bin.

derStandard.at: Streng genommen gibt es das Hier und Jetzt doch gar nicht, denn sobald ich es fassen will, ist es schon wieder Vergangenheit.

Smolka: Also da widerspreche ich. In Wirklichkeit gibt es nur die Gegenwart, denn es kann nur der Augenblick zählen.

derStandard.at: Dann darf ich das Hier und Jetzt zeitlich nicht verorten, denn das ist die Basis für unsere Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft.

Smolka: Genau, das ist der eigentliche Trick. Das klingt jetzt sehr kompliziert, aber in Wirklichkeit ist es ganz einfach. Und in Wirklichkeit ist es ganz einfach, aber trotzdem kompliziert.

derStandard.at: Sie haben Glücks-Trainingsbücher für Erwachsene und Schüler geschrieben. Nun sollen wir auch noch glücklich sein lernen. Ist das nicht eine weitere Facette des neoliberalen Diktums in dem Sinn "Jeder ist seines Glückes Schmied"?

Smolka: Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb bin ich immer sehr darauf bedacht, dass dieser Anspruch "Ich muss immer glücklich sein" nicht entsteht. Glück ist auch ein Stück "Kontrasterleben". Glück als ein quasi erhabenes Gefühl kann es nur dann geben, wenn es auch Nichtglück geben darf. Das heißt, es benötigt sowohl das Oben als auch das Unten. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass es für viele Menschen sehr entlastend ist zu erfahren, dass sie auch mal schlecht drauf sein dürfen.

derStandard.at: Warum brauchen wir dann überhaupt Glücks-Bücher?

Smolka: Da viele Menschen nur mehr sehr selten im Hier und Jetzt denken und fühlen, gibt es noch genügend Kapazität, das Glück zu vermehren. Auch deshalb, weil sie häufig nur das Negative sehen oder vieles negativ bewerten. Hier kann es sehr hilfreich sein zu lernen, Dinge positiv zu sehen oder neutral zu betrachten. Neutralität ist eine ganz wichtige Position: Es muss nicht immer etwas schlecht oder gut sein - es kann auch etwas einfach so sein, wie es ist. Den meisten Menschen fällt es unglaublich schwer, nicht zu werten.

Beim Thema Stress ist das beispielsweise ein relevanter Punkt. Man sollte sich bewusst machen, dass es in den meisten Fällen nicht der Reiz ist, der den Stress auslöst, sondern meine Bewertung des Reizes. Wenn ich etwa im Stau stehe, kann ich das ganz schrecklich finden, mich gehetzt fühlen und mir denken: "Um Gottes Willen, ich komm zu spät, das ist ja nicht auszuhalten." Oder ich sehe das neutral und sage mir: "Ich stehe jetzt im Stau und Punkt!"

derStandard.at: Kann jeder Mensch Glücklichsein lernen?

Smolka: Es wäre absurd, einem depressiven Menschen zu sagen: "Bemühe dich halt mal ein bisschen." Es gibt aber bereits Forschungsergebnisse, die zeigen, dass sogar bei depressiven Menschen ein Glückstagebuch hilfreich sein kann. Das mag auf den ersten Blick fast ein bisschen makaber wirken; aber in Untersuchungen konnte beobachtet werden, dass sich Patienten von der Depression schneller erholen, wenn sie jeden Tag aufschreiben, worüber sie sich zumindest ein bisschen freuen konnten - wenn sie also quasi ein Miniglück in ein, zwei Worte gefasst haben.

derStandard.at: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, nährt sich Glück primär aus dem Inneren. Inwieweit ist auch eine Orientierung am Außen notwendig?

Smolka: Der stärkste Einfluss von außen sind natürlich Beziehungen - also nicht nur Partnerschaft, sondern auch Familie, ein gutes Team und ein angenehmes Arbeitsklima. Aber das Hauptgewicht kommt von innen. Das heißt, von meiner Achtsamkeit, meiner Neugierde.

Auch das Thema Dankbarkeit ist etwas sehr Glücksförderndes. Dazu hat Martin Seligman, der Vater der "Positiven Psychologie", sehr ausführlich geforscht. Wenn jemand beispielsweise jeden Abend vor dem Einschlafen an drei Dinge denkt, für die er dankbar ist, dann hebt das auch das Glücklevel. Denn so wird sehr vieles bewusst, was einem im Alltag selbstverständlich erscheint.

derStandard.at: Sie sind der Überzeugung, dass Glück lernbar ist. Wie manifestiert sich die Evidenz von Glück?

Smolka: Durch bildgebende Verfahren konnte sichtbar gemacht werden, dass es eine Hirnregion - ungefähr im Bereich des Stirnlappens über der linken Augenbraue - gibt, die bei Glücksgefühlen besonders aktiviert ist. In Untersuchungen wurden Menschen mehrere Wochen hindurch vermehrt über unterschiedliche Reize in eine positive Stimmung gebracht, und man konnte feststellen, dass sich dieses Areal weiterentwickelt hat. Das heißt, die Neuronen haben sich dort stärker verästelt. Hier bietet sich fast der Vergleich mit einem Muskeltraining an: So, wie ich einen Muskel trainiere, indem ich ihn beanspruche, kann ich auch im Gehirn die Region trainieren, die für das Glücklichsein zuständig ist.

derStandard.at: In der Steiermark gibt es mehrere Schulen, in denen Glück als Schulfach angeboten wird. Ist es zielführend, wenn das so explizit separiert wird?

Smolka: Das ist wirklich etwas absurd, aber immer noch besser als nichts. Optimal wäre es natürlich, wenn das als Grundhaltung existieren und in den gesamten Unterricht einfließen würde.

derStandard.at: Welche Tipps geben Sie Menschen, die glücklicher werden möchten? Welche Faktoren beeinflussen das persönliche Glück?

Smolka: Für mich persönlich ist das Wort "jetzt" ganz zentral. Das bedeutet, mit meiner Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu sein und mit all meinen fünf Sinnen wahrzunehmen. Das hat beispielsweise in der Kommunikation eine unglaubliche Konsequenz, wenn ich mit meiner Aufmerksamkeit wirklich bei meinem Gegenüber und gedanklich nicht ganz woanders bin. Das Thema Einstellung ist auch etwas ganz Wichtiges - im Sinne von halb voll, halb leer oder eben auf einer neutralen Ebene. Zudem ist Dankbarkeit ein zentraler Punkt, indem ich mir bewusst werde, wofür ich dankbar bin und sein kann.

derStandard.at: Letztendlich handelt es sich dabei um eine Konstruktionsleistung jedes Einzelnen? 

Smolka: Ja. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 24.10.2012)