ARTIDIS beim Abtasten der Gewebestruktur einer Tumorbiopsie. Mit der neuen Methode "ertasten" die Forscher in der Schweiz einen spezifischen "Fingerabdruck" für Brustkrebs.

Foto: Martin Oeggerli

Die Ausbreitung von Krebszellen im gesamten Körper macht Tumorerkrankungen besonders gefährlich. Schweizer Wissenschafter haben nun an Brustkrebszellen einzigartige nanomechanische Eigenschaften festgestellt, die für die Bildung der öft tödlichen Metastasen verantwortlich sind. Mit einer auf Rasterkraftmikroskopie basierenden Technik entdeckten die Forscher am Biozentrum und am Swiss Nanoscience Institute (SNI) der Universität Basel einen spezifischen "Fingerabdruck" für Brustkrebs.

Brustkrebs ist in Europa die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Frauen. Trotz bedeutender medizinischer Fortschritte ist die Diagnose von Brustkrebs immer noch schwierig. Gefährlich sind die fehlenden Kenntnisse darüber, ob sich der Tumor bereits ausgebreitet hat und Metastasen bildet. Auch die spezifischen strukturellen Veränderungen von Krebszellen und der sie umgebenden extrazellulären Matrix - die eng mit der der Entstehung von Metastasen verknüpft sind - bleiben häufig unentdeckt. Das Team um Roderick Lim vom Biozentrum der Universität Basel hat nun ein Diagnostiktool entwickelt mit dem die nanomechanischen Eigenschaften von Gewebebiopsien untersucht werden können.

Nanosonde tastet Gewebeprobe ab

Das Tool ARTIDIS (Automated and Reliable Tissue Diagnostics/Automatisierte und zuverlässige Gewebediagnostik) beruht auf der Technik eines Rasterkraftmikroskops. Dessen Herzstück eine wenige Nanometer lange Spitze, die als mechanische Messsonde fungiert. Mit ihr können einzelne Zellen und extrazelluläre Strukturen einer Gewebeprobe abgetastet werden. Die Erstellung eines nanomechanischen "Fingerabdrucks" erfolgt durch ein systematisches Abtasten der ganzen Biopsie mit 10.000 Messungen. Die Vermessung von über hundert Gewebeproben von Brustkrebspatientinnen mittels ARTIDIS zeigte nun, dass sich die "Fingerabdrücke" von bösartigen Brusttumoren deutlich von denen gesunden Gewebes und gutartiger Tumore unterscheiden. Die am Universitätsspital durchgeführten Gewebeuntersuchungen bestätigten diese Ergebnisse. Zudem zeigten am Friedrich Miescher Institut gemachten Studien am Tier, dass auch hier die Brusttumore dasselbe nanomechanischen Profil aufweisen.

Marija Plodinec, Erstautorin der im Fachjournal "Nature Nanotechnology" erschienen Studie, erklärt: "Dieser einzigartige 'Fingerabdruck' spiegelt die sehr heterogene Struktur bösartiger Tumore wider, die bei gesundem Gewebe und gutartigen Tumoren sehr viel homogener ist." Kennzeichnend für bösartig entartetes Gewebe war zudem das Auftreten einer sehr weichen Region, die für Krebszellen und das veränderte Mikroumfeld charakteristisch ist. Diese Erkenntnisse untermauern die Annahme, dass sich weiche Krebszellen leichter deformieren und dadurch besser in den umliegenden Zellverband hineinzwängen können. Die Anwesenheit des gleichen Typus von weichen Zellen in Lungenmetastasen von Mäusen bekräftigte den Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften von Krebszellen und ihrem Potenzial zu metastasieren.

Neue Methode verkürzt Diagnose-Zeitaufwand

"Die Entdeckung einer so grundlegenden Eigenschaft von Krebs bekräftigt die Verwendung nanomechanischer 'Fingerabdrücke' als quantitative Marker in der Krebsdiagnostik. Diese haben das Potenzial die Gefahr der Bildung von Metastasen abzuschätzen", sagt Mitautor Marko Loparic. Der Zeitaufwand von rund einer Woche für eine Diagnose mit herkömmlichen Verfahren verringert sich mit ARTIDIS auf etwa vier Stunden. (red, derstandard.at, 25.10.2012)