Kaum hat sich der Streit um teuere Stabilisierungsmaßnahmen in der Eurozone und Hilfen für Griechenland einigermaßen beruhigt, droht in der EU der nächste Zoff. Deutschland kündigt dem britischen Premier David Cameron ernsthafte Konsequenzen an, sollte dieser seine Ankündigung wahr machen, bei der EU-Budgetplanung ein Veto einzulegen.

Für Ende November ist in Brüssel ein eigener Budget-Gipfel der Staats- und Regierungschefs angesetzt, um die "Finanzielle Vorausschau", wie die auf sieben Jahre angelegte Budgetperiode von 2014 bis 2020 auch genannt wird, unter Dach und Fach zu bringen. Laut einem Bericht der "Financial Times" soll Merkel angekündigt haben, den Gipfel abzublasen, wenn London von vornherein keine Kompromissbereitschaft zeige. Der Sprecher der deutschen Kanzlerin dementierte das umgehend und wies darauf hin, dass Berlin Interesse an einer Lösung habe. Nächste Woche wird Merkel nach London reisen, um die Angelegenheit vorab zu klären.

Querschüsse Londons

Der Konservative Cameron hatte beim EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag öffentlich erklärt, dass etwas anderes als reale und deutliche Kürzungen im EU-Haushalt für ihn nicht akzeptabel seien. Seit Monaten läuft in Großbritannien eine scharfe antieuropäische Kampagne von Camerons Partei. Der Premierminister lässt keine Gelegenheit aus, den Vorrang der britischen Interessen zu betonen, und kündigte sogar an, ein Referendum über den Verbleib des Königreichs in der Union anzustreben.

Die EU-Kommission hatte bereits vor 2011 einen ersten Vorschau-Entwurf vorgelegt, der für sieben Jahre einen Haushalt von insgesamt 1.025 Milliarden Euro vorsieht, ein ausgegliedertes Budget für Sonderprojekte nicht eingerechnet. Kürzungen sind vor allem im Agrarbereich vorgesehen, was den Protest der neuen EU-Länder in Osteuropa hervorruft.

Briten für reale Kürzungen

Deutschland verlangt mit anderen Nettozahlern wie Österreich einen um rund 100 Milliarden Euro niedrigeren Ansatz als die Kommission will, was real einer Kürzung auf ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) der EU entspräche. Die Kommission argumentiert dagegen, dass die EU immer mehr Aufgaben finanzieren müsse.

Cameron will über den Kompromissvorschlag von Deutschland noch weit hinausgehen, drastisch kürzen. Er will Einschnitte auch bei Gehältern der EU-Beamten. Merkel ist besorgt, dass ein Platzen des EU-Budgets die Verhandlungen über eine Stärkung der Eurozone im Dezember gefährdet. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 23.10.2012)