Treffen alter Herren: Humboldt (Albrecht A. Schuch, re.) und Gauß (Florian D. Fitz) in "Vermessung der Welt".

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Wien - In welche Richtung kommt man eher zum erwünschten Ziel? Diese Frage stellt sich in der Verfilmung von Daniel Kehlmanns literarischem Sensationserfolg Die Vermessung der Welt nicht nur für die Hauptfiguren, den Naturwissenschafter Alexander von Humboldt und den Mathematiker Carl Friedrich Gauß, die bekanntlich völlig konträre Methoden wählten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie stellt sich auch für das Vorhaben " Bestselleradaption" an sich, eine Gattung, der im deutschsprachigen Kino in künstlerischer Hinsicht kaum, in kommerzieller dafür einiger Erfolg beschieden war. "Persönlich" betreut vom 2011 verstorbenen Produzenten Bernd Eichinger, wurden aus Das Geisterhaus, Elementarteilchen oder Das Parfum unpersönliche Hochglanzprodukte, mit denen sich eine beachtliche Riege an Talenten meist umsonst abmühten.

Kehlmann versichert gegenwärtig in zahlreichen Interviews, dass er einen alternativen Weg zu solchen von der eigenen Bedeutungssucht aufgeblähten Produktionen suchte und deshalb die Zügel nie ganz aus der Hand gab. Im deutschen Regisseur Detlev Buck, der sich in der Vergangenheit schon an unterschiedlichen Genres erprobt hatte, fand er einen Mitstreiter, bei dem er sich in guter Gesellschaft meinte; der versierte Drehbuchautor Daniel Nocke (u. a. Sie haben Knut) verstärkte das Team - alles, nur keinen gewöhnlichen Historienfilm umzusetzen war das Ziel; luftiger, wendiger, humorvoller sollte er werden.

Dem Film ist dies bedauerlicherweise nicht anzusehen. Die Vermessung der Welt demonstriert nur die Anstrengung, es anders machen zu wollen, um dann doch gar nicht so anders zu sein. Buck geht mit stilistischem Sperrfeuer auf die Vorlage los und trifft selten eine richtige Tonlage. Der Humor des Films wirkt überzogen, dramatische Zuspitzungen gehen hingegen unter. Auch die Entscheidung, den Film in 3-D zu drehen, ist nicht nachvollziehbar, die exotischen Panoramen, Close-ups von Tierchen und lasziv vorgewölbten Körperteilen braucht es nicht; dies verstärkt nur den Eindruck einer Produktion, die sich gern als großes Unterhaltungskino verstünde, dabei aber bereits in elementaren Dingen, im Aufbau einzelner Szenen, versagt.

Die beiden Helden, den durch die Fremde Lateinamerikas stapfenden Humboldt (über dessen preußisches Gehabe hinaus Albrecht Abraham Schuch nicht viel zeigen darf) und den daheim rechnenden, auch sonst recht weltabgewandten Gauß (Florian David Fitz), führt der Film parallel, ohne ihr Verhältnis zueinander schlüssig mitzuerzählen. Nebenfiguren wie der Herzog von Braunschweig werden zu Klamauk verzerrt, ein Mann vom Militär zur an Kinski blaugepausten Outriernummer.

Die Einsamkeit Gauß', mit seinen Erkenntnissen allein zu sein (selbst Kant ist's "wurst"), oder die Humboldt'sche Selbstüberschätzung, davon will oder kann sich dieser Film offensichtlich kein stimmiges Bild machen. Es ist, als traute er sich selbst nicht über den Weg: Immer, wenn es zu tiefsinnig wird, muss ein Pointe her. So mäandert der Film unentschlossen durchs digitale Wunderland, ohne sich über den eigenen Auftrag klar zu werden. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 23.10.2012)