Wolfgang Schmidbauer, "Das Floß der Medusa. Was wir zum Überleben brauchen". € 19,90 / 206 Seiten. Murmann-Verlag, Hamburg 2012

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Der Zusammenbruch des Konsumismus steht für Wolfgang Schmidbauer fest. Was danach kommt, ist Knappheit an Ressourcen und der Kampf ums Überleben. Die tragische Geschichte der französischen Fregatte Medusa dient dem Autor als Illustration der bevorstehenden Katastrophe.

Als 1816 das für die damalige Zeit hochtechnologische Schiff 40 Meilen vor der westafrikanischen Küste strandete, retteten sich der designierte französische Gouverneur von Senegal und seine hochdekorierten Begleiter mithilfe ihrer Soldaten auf Beiboote. Die Hinterbliebenen vertrösteten sie mit dem Bau eines Floßes, das sie an die Küste bringen sollte. Dieses erwies sich allerdings als sehr mangelhaft, sodass bald ein Kampf auf Leben und Tod ausbrach. Jeder versuchte in der Mitte zu bleiben und die am Rande Stehenden ins Wasser zu stoßen.

Als nichts mehr zu essen an Bord übrigblieb, schreckten die Stärkeren sogar vor Kannibalismus nicht zurück, um ihr Weiterkommen zu sichern. So erreichten von anfangs 147 nur fünfzehn die Küste. Der französische Romantiker Théodore Géricault hielt die erschreckende Geschichte des Floßes in seinem berühmten Gemälde fest.

Für Schmidbauer ist der Glaube an Autoritäten, die nur um ihre eigene Haut besorgt sind, der sichere Weg in den Untergang. Er ist überzeugt, dass in Zeiten der Krise nur überlebt, wer den eigenen Fähigkeiten vertraut und vorgesorgt hat. Diese Vorsorge sieht der 1941 geborene Autor in den Lehren der Nachkriegszeit: Verzicht auf Bequemlichkeit, die uns die Technologien anbieten, Sparsamkeit, Belebung verschütteter Handfertigkeiten. Basteln und Gärtnern sollen nicht nur sinnvolle Freizeitbeschäftigung sein, sondern uns für die Zeiten vorbereiten, wenn die Lebensmittel knapp und der übliche Komfort wie Wärme, Strom etc. nicht mehr vorhanden oder stark reduziert ist. Ein weiterer Schritt wäre es, mit den Nachbarn besser zu kooperieren, statt sich zu sehr auf staatliche Institutionen zu verlassen.

Wie wir aber unsere Schrebergärten und das gesammelte Holz für den selbstgebastelten Ofen im Haus sichern sollten, im Falle, dass die Staatsgewalt zusammenbricht und keinen Schutz vor plündernden Banden bietet, darauf gibt Schmidbauer keine Antwort. Konsequenterweise sollten wir uns ein Gewehr beschaffen und mit den Nachbarn eine Miliz gründen, die die nicht vorhandene Polizei ersetzt.

Die neuen Technologien kommen im Buch nicht gut weg. Außer dass sie die Umwelt verschmutzen und unsere Bequemlichkeit so sublimieren, dass wir dümmer und ungeschickter dadurch werden, weiß der Autor über keine anderen Konsequenzen zu berichten. Die Tatsache, dass diese Technologien uns sehr wohl Fähigkeiten und Geschick abverlangen und eine ganz neue Denkweise hervorrufen, bleibt unbeachtet.

Schmidbauer beruft sich hauptsächlich auf Freud und behauptet, dass die Konsumgesellschaft keine überzeugenden Philosophen aufweist. Das liegt vermutlich an der mangelnden Berücksichtigung der Werke der US-Medientheoretiker wie Marshall McLuhan, Harold Innis, Neil Postman oder der französischen Poststrukturalisten, allen voran Paul Virilio und Michel Foucault.

Wenn der Strom ausfällt, meint Schmidbauer, ist der Computer tot. Was er übersieht, ist die Auswirkung des Computers auf unsere Wahrnehmung und unser Denken. Diese bleibt bestehen, auch wenn das Gerät nicht funktioniert. Ein Mensch, der mit digitaler Technik groß geworden ist, hat eine veränderte Wahrnehmung, ganz anders als die eines mit Büchern aufgewachsen Menschen.

Auch wenn die Auswege aus der - laut Schmidbauer - unvermeidlichen Katastrophe des Konsums nicht schlüssig sind, regt das Unglück der Medusa zum Nachdenken an, und für jene, die gern nachdenken, könnte das Buch eine geeignete Vorlage sein, sich um eigene Lösungen und Vorsorgemaßnahmen zu bemühen. (Valia Kraleva/DER STANDARD, 20./21. 10. 2012)