Für Einkäufe ist der Naschmarkt ein gutes Pflaster - das ist aber mitunter auch rau. Ein Wiener saß fünf Monate in Untersuchungshaft, da er von Zeugen offensichtlich verleumdet wurde.

Foto: Der Standard/Robert Newald

Wien - Nicole Baczak ringt bei ihrer Urteilsbegründung ein wenig um Worte. "Ich weiß nicht, wie ich es charmant sagen soll - die Zeugen haben alle gelogen." Logische Folge dieser Erkenntnis der Vorsitzenden im Schöffenverfahren gegen Peter und Paul K.: Die beiden werden vom Vorwurf, zwei Wirte am Naschmarkt erpresst, bedroht und deren Lokale beschädigt zu haben, - nicht rechtskräftig - freigesprochen.

Denn, sagt sie zu Peter K.: "Der Senat ist der Meinung, dass Sie massiv verleumdet wurden. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass die Zeugen wegen falscher Aussage strafrechtlich verfolgt werden. Das Tragische ist, diese bekommen wohl eine bedingte Strafe, und Sie sind fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen."

Verteidiger sieht Skandal

Wie es dazu kommen konnte? Aus Sicht von Wolfgang Mekis, dem Verteidiger der 46-jährigen Brüder, wegen "skandalöser" Fehler bei Polizei und Staatsanwaltschaft, wie er in seinem Schlussplädoyer ausführt.

Zur Erinnerung: Gegen die Zwillinge, die seit 25 Jahren am Naschmarkt wohnen, wird seit vier Monaten und fünf Verhandlungstagen prozessiert. Weil sie sich immer wieder über Ruhestörung durch sonntägliche Bauarbeiten von zwei Lokalbesitzern geärgert haben, sollen sie beschlossen haben, kriminell durchzugreifen. Was zunächst durchaus glaubwürdig klang. Fünf Belastungszeugen gab es, der Unternehmer Peter K. agierte vor Gericht immer wieder aufbrausend.

200 Euro habe das Duo mehrmals von ihm verlangt, sonst drohe Ungemach, sagte der Hauptbelastungszeuge Erdal T. aus. Er zahlte nicht, daraufhin habe es immer wieder Sachbeschädigungen an seinem Lokal gegeben. Am 26. Dezember sei er von ihnen sogar fast mit einem Baseballschläger attackiert worden.

Zeugen redeten sich in Wickel

Das Problem: Die anderen Zeugen schwächten ihre Aussagen teils dramatisch ab oder redeten sich in ziemliche Wickel. Und dann wurde ein Video des Angeklagten präsentiert, das er bei einer Konfrontation aufgenommen hatte. Auf diesem ist klar zu sehen und zu hören, dass es keine Bedrohung gibt und stattdessen die "Opfer" eine Verleumdung verabreden.

In diesem Punkt ortet Mekis den Skandal. Peter K. habe "von Anfang an gesagt, dass es das Video gibt. Die Staatsanwaltschaft hat erst nach einiger Zeit die Polizei mit der Auswertung beauftragt. Und in deren Bericht steht tatsachenwidrig, dass es eine Bedrohung gegeben habe. Die türkische Konversation der Zeugen wurde gar nicht erwähnt."

Er trauert den Untersuchungsrichtern nach. "Mit der Strafprozessreform ist vieles weggefallen. Der Untersuchungsrichter hat sich früher die Zeugen geholt, jetzt darf er nicht mehr ermitteln."

Vom Naschmarkt wollen die K.s jetzt übrigens wegziehen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 20./21.10.2012)