Berlin - Die Schauspielerin Käthe Reichel ist tot. Eine der bekanntesten DDR-Schauspielerin verstarb in der Nacht auf Freitag in Brandenburg, wie ihr Verlag mitteilte. Ihre Zeit am Berliner Ensemble in den Anfangsjahren ihrer Karriere hatte Käthe Reichel entscheidend geprägt. Verbrieft ist Brechts Lob, der in der jungen Frau eine der "begabtesten Schauspielerinnen des Ensembles" sah. Gerade weil ihr alles "Liebliche, Jungmädchenhafte, Hübsche" fehlte, entsprach sie dessen Vorstellungen von sozialer Genauigkeit und plebejischem Selbstbewusstsein. Den Brecht-Stil mit sparsamen Gesten und der etwas klagenden Stimme hat sie nie abgelegt. Gustchen in "Der Hofmeister" (1950) und Gretchen im "Urfaust" (1952) waren ihre ersten Besetzungen am Berliner Ensemble.

Die volle Aufmerksamkeit des Meisters soll sie mit der Hauptrolle in Anna Seghers "Der Prozess der Jeanne d'Arc zu Rouen 1431" geweckt haben. Die Figur der Heiligen Johanna erkundete sie von verschiedenen Seiten. Zum 100. Brecht- Geburtstag erweiterte sie ihr Repertoire mit einem 90-minütigen Monolog des Stücks. In Wolfgang und Thomas Langhoff fand Reichel auch später Regisseure, die ihre Eigenart achteten.

Seit Anfang der 60er Jahre war das Deutsche Theater Berlin ihr Zuhause. Bei ihrem Einstand wurde sie als "deftig, leidenschaftlich Liebende" in Lessings "Minna von Barnhelm" gefeiert. Sie spielte unter anderem in Stücken von Hebbel, Kleist, Sartre, Moliere, Horvath und Handke. International wurde sie als Shen Te/Shui Ta in Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" (1957) bekannt. Film und Fernsehen der DDR wussten besonders die überzeugende Darstellung der gebürtigen Berlinerin bei Frauen aus der Arbeiterklasse und dem Kleinbürgertum zu schätzen.

Leben und Bühne sind bei Reichel untrennbar verbunden. Zu DDR-Zeiten sammelte sie Unterschriften gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann, im wiedervereinigten Deutschland hungerte sie mit den um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Kali-Kumpeln von Bischofferode. Wenn auf dem Berliner Alexanderplatz gegen Hartz IV demonstriert wurde, war Reichel dabei. Die Frauen vom "Komitee der Soldatenmütter Russlands", die ihre Söhne nicht in den blutigen Tschetschenien-Krieg schicken wollten und für ihren Protest 1996 den Alternativen Nobelpreis erhielten, hatte Reichel für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. (APA, 19.10.2012)