"Das Zentrum für Rechtspsychologie und Kriminologie der Uni Linz stellte in seiner kriminologischen Sicherheitsanalyse 2007 fest, dass Linz im Städtevergleich 'über ein hohes Sicherheitsgefühl und eine geringe Kriminalitätsfurcht' verfügt. So, wie die Politik tut, soll es aber schlimmer sein als in Chicago", beklagt Michael Schmida.

Foto: Toumaj Khakpour

Seit gut zwei Jahren gehört der Linzer Ordnungsdienst zum Stadtbild der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Die mit Handys und Kameras ausgestatteten Frauen und Männer sollen laut Informationsfolder auf Straßen und öffentlichen Anlagen für "Sauberkeit" und eine "bessere Lebensqualität" sorgen.

Die Stadtwache steht unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Franz Dobusch (SPÖ), geleitet wird sie vom Stadtrat für Sicherheit und Ordnung, Detlef Wimmer (FPÖ). Seit ihrem Entstehen ruft sie auch Kritiker wie Michael Schmida auf den Plan. Die von ihm und anderen Gegnern der Wache Anfang 2010 gegründete Bürgerinitiative "Linz braucht keine Stadtwache" spricht sich gegen einen Ordnungsdienst aus. Im Gespräch mit daStandard.at erklärt er die Hintergründe seiner Ablehnung.

daStandard.at: Warum gibt es die Bürgerinitative "Linz braucht keine Stadtwache"?

Schmida: Bei der Gemeinderatswahl 2009 hatte die SPÖ vor der Wahl unterstrichen, sie sei gegen eine mögliche Stadtwache. ÖVP und FPÖ haben mit dem Thema Sicherheit, Integration und Ordnung Wahlkampf betrieben. Nach der Wahl hat die SPÖ zum Deal mit der FPÖ und ÖVP doch eingewilligt, und so wurde der Ordnungsdienst - also die Stadtwache - ins Leben gerufen.

Das war ein Umstand, den wir als kritische Bürger nicht hinnehmen konnten. Wir haben zunächst ein Personenkommitee gegründet, bestehend aus 50 bis 60 Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft. Daraufhin haben wir die Bürgerinneninitiative ins Leben gerufen, um mit den Instrumenten der direkten Demokratie etwas dagegen zu unternehmen. Die Agenda für Sicherheit ging schließlich an die FPÖ und ihren Bezirksparteiobmann Detlef Wimmer.

daStandard.at: Sicherheitsstadtrat Wimmer kommt in Ihrer Kritik an dem Ordnungsdienst häufig vor. Warum?

Schmida: Die Linzer FPÖ hat für FPÖ-Verhältnisse extrem rechte Verwurzelungen. Wimmer ist in seiner Funktion als Sicherheitsstadtrat neben der örtlichen Sicherheitspolizei und der Berufsfeuerwehr auch die Verantwortung für den Ordnungsdienst der Stadt Linz zugetragen worden. Gleichzeitig hat er enge Kontakte zu Personen aus dem rechtsextremen Lager und war Funktionär des Rings Freiheitlicher Jugend. Das ist angesichts dieser sensiblen Aufgabe sehr bedenklich.

daStandard.at: Mittlerweile hat die Bürgerinitiative auch online eine Meldestelle eingerichtet. Wer meldet sich dort?

Schmida: Die Meldestelle soll allen Bürgerinnen und Bürgern dazu dienen, Vorfälle zu melden, die fragwürdig sind. Zum Glück kann man festhalten, dass die Stadtwache bis dato keine besonders tiefgehenden Kompetenzen bekommen hat. So konnte Eskalationspotenzial verhindert werden - da sind die Verantwortlichen auf der Hut. Denn die Stadtwache darf bis auf das Bettelverbot, die Aufklärung von Hundehaltern und bei Verstößen oder der Vermeidung strafbarer Handlungen durch ihre Anwesenheit nur ermahnen, aufklären und überwachen.

daStandard.at: Was wird Ihnen konkret berichtet?

Schmida: Die Fälle sind unterschiedlich, manche werden auf unserer Homepage veröffentlicht. Da kommt es auch vor, dass die Damen und Herren der Stadtwache von Betroffenen als "gereizt" und teilweise "eigenwillig" beschrieben werden, wenn ihre Handlungen in Frage gestellt werden. Wobei ich persönlich in Gesprächen mit Ordnern festgestellt habe, dass viele einen besonnenen Eindruck machen, aber mit der Situation vor Ort manchmal überfordert sind.

Das sind meiner Ansicht nach Konflikte, die die Politik geschaffen hat und die dann das Personal der Stadtwache vor Ort auszubaden hat. Unsere Kritik geht nie gegen das Personal der Stadtwache, sondern gegen den Grundgedanken dahinter und die Einschränkung des öffentlichen Raums.

daStandard.at: Ihrer Initiative werden auch fragwürdige Geschehnisse zugetragen. Sie sprechen von Kompetenzüberschreitungen. Können Sie solche feststellen, zumal diese subjektiv empfunden sind und oft anonym gemeldet werden?

Schmida: Es gibt durchaus Fälle, die aus unserer Sicht Kompetenzüberschreitungen verdeutlichen und denen man auch nachgehen kann. Ein Beispiel ist das Bettelverbotsgesetz, das auf Zuruf von FPÖ und ÖVP entstand: Dieses sieht in Oberösterreich unter anderem vor, dass Gemeinden kommunale Aufsichtsorgane bestellen können, die dann für Ordnung sorgen. Diese Kompetenzen sind auch auf die Stadtwache zugeschnitten. Hier wird versucht, Handlungsmöglichkeiten des Ordnungsdienstes deutlich auszuweiten. Darunter würden Wegweisen, Strafen und Festnehmen fallen.

Was faktisch passiert, ist, dass manche Ordnungshüter im Zuge des neuen Bettelverbots nach Ausweisen fragen oder Bettler vertreiben, was sie rechtlich gesehen nicht dürften - vorausgesetzt, der Bettler verhält sich still und beeinträchtigt die öffentliche Sicherheit nicht. Viele Bettler aber sehen die rote Uniform und bekommen Angst, werden ohne triftigen Grund vertrieben. Solche Fälle können wir auch selbst überprüfen. Die Stadtwache ist bekanntlich 2010 eingeführt worden. Für uns war klar, dass diese Angelegenheit erst harmlos beginnen wird und sich im Laufe der Zeit zum Negativen weiterentwickelt.

daStandard.at: Auf Ihrer Homepage werfen Sie der Stadtwache vor, sie sei schlecht ausgebildet und verfüge über wenig Konfliktlösungskompetenz. Was meinen Sie damit?

Schmida: Der Ordnungsdienst oder die Stadtwache hat von Tag zu Tag durchaus sensible Fälle im öffentlichen Raum zu behandeln. Dafür bräuchte man ein gutes, auf genügend Erfahrungen und Menschenkenntnis gestütztes soziales Gespür, das man innerhalb der einmonatigen Ausbildung nicht vollständig erreichen kann. Man weiß ja auch aus zahlreichen Polizeifällen, dass es oft zu Eskalation kommt. So besteht womöglich eine Gefahr der Überbewertung von Situationen, wenn es um den Umgang mit Obdachlosen, Bettlern oder Jugendlichen geht. 

Wenn es nach dem Willen der ÖVP und der FPÖ geht, soll die Tendenz in Richtung einer "kommunalen Ersatzpolizei" gehen. Es wird an zwei Schrauben gedreht: zum einen direkt durch die Stadtwache selbst und zum anderen indirekt durch die auf die Stadtwache zugeschnittenen Verordnungen.

daStandard.at: Ist es prinzipiell nicht richtig, für mehr Sicherheit in einer Stadt zu sorgen?

Schmida: Selbstverständlich. Wir kritisieren aber die unnötige Panikmache. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund zur Besorgnis. Das Zentrum für Rechtspsychologie und Kriminologie der Uni Linz stellte in seiner kriminologischen Sicherheitsanalyse 2007 fest, dass Linz im Städtevergleich "über ein hohes Sicherheitsgefühl und eine geringe Kriminalitätsfurcht" verfügt. So, wie die Politik tut, soll es aber schlimmer sein als in Chicago.

Da werden Dinge, die in keiner Weise zu entschuldigen sind, hochstilisiert und politisch aufgeblasen. Man versucht in einem gewissen Maße Handlungsfähigkeit der Politik zu demonstrieren; gleichzeitig zerstört man dabei Bürgerrechte und schafft ein Klima der Angst. Der falsch geführte Diskurs schafft erst recht Unsicherheit. Die ÖVP hat im oberösterreichischen Wahlkampf 2009 in ihrer Wahlkampfsymbolik mit blutigen Messern und Spritzen auf Plakaten gearbeitet. (Toumaj Khakpour, daStandard.at, 19.10.2012)