Martin Schnur: "Autonomer #1", 2012, Öl auf Kupfer.

Foto: Galerie Bechter Kastowsky

Wien - Dass sich auf den Leinwänden von Martin Schnur irreale Fenster in andere Bildwelten öffnen, kennt man bereits: Seien es nun Meerstücke oder grüne Parklandschaften, die sich hinter weiblichen, manchmal scharf am Kitsch entlangschrammenden Akten ausbreiten oder abstrakte Farbebenen, die sich in illusionistische Narrative schieben. Es sind zwei parallele Welten, in der allein der Betrachter sozusagen metaphorische Tunnel zwischen dem einen und dem anderen Raum gräbt.

Vor einer großen Personale im Museum Essl im kommenden Jahr präsentiert nun die Galerie Bechter Kastowsky jüngste, diese Grenzen aufweichende Bilder von Martin Schnur (geb. 1964 in Vorau). Die neue Galerie in der Gluckgasse ist ein gemeinsames Projekt von Eva-Maria Bechter, die seit 2005 auch in Liechtenstein als Galeristin tätig ist, und Robert Kastowsky, der einige Jahre in Wien einen Raum für junge Kunst unterhielt.

Präsentiert werden neue Bilder des Malers, in denen sich das Verschwimmen der Bildebenen auch in den kleinen Landschaftsbildern zeigt, bei denen Kupfer als Malgrund durchscheint. Das Durchbrechen der Bildgrenzen wird vor allem beim Thema der Spiegelung sichtbar.

Licht und Reflexionen auf Spiegelscherben vermitteln in der Bildserie Nadege zwischen der glitzernden Wasserfläche und dem eher abstrakten (Natur-)Raum rund um eine Figur. Und zwar auch, wenn die Spiegelungen kein Abbild, sondern einen Ort jenseits der abgebildeten Realität zeigen - etwa ein sphärisches Blau, das an die Farbe des Himmels erinnert und somit an den größten symbolisch Illusionsraum überhaupt.

Auf dem Bild Autonomer #3, einer weiteren Serie aus dem Jahr 2012, verweisen Bildinhalte wie Feuer und Kapuzengestalt in andere, nämlich politische Realitäten. Vor allem in den sechs Kleinformaten Mirror Shard gelingt es Schnur, die Bildgrenzen aufzulösen. Die Brüche scheinen wie herangezoomt und werden zum bildbestimmenden Element.

Mit der Vielfalt an ebendiesen Brüchen und Falten thematisiert Martin Schnur die Leinwand gleichzeitig als das, was sie ist: ein Ort der Illusion und ihrer Zerstörung. Die Frage ist, ob mit dem illusionistischen Charakter auch das Wesen der Malerei selbst infrage gestellt wird. Oder ob sich hier von der Realität freigespielte Denkräume anbieten: Raumfalten also, mit grenzüberschreitenden Freiheiten.   (Anne Katrin Fessler, DER STANDARD, 18.10.2012)