Julia Denzler entwickelt Software zum Sägen.

Foto: ACR/Schnür

Wenn sich Julia Denzler mit etwas beschäftigt, dann will sie es schon ganz genau wissen. Das war auch der Grund, warum sie Bauingenieurwesen an der Universität Karlsruhe studierte und nicht Architektur. "Mich hat das gestalterische Mitwirken am Lebensumfeld immer gereizt, deshalb wollte ich Architektin werden. Bis ich bemerkt habe, dass die eigentlichen Berechnungen in den Bereich des Bauingenieurs fallen", erzählt Denzler, "und ich wollte rechnen."

Exakte Berechnungen stehen auch heute noch im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit als Leiterin des Fachbereichs Holztechnologie an der Holzforschung Austria. Für ihre Arbeit wurde Denzler gestern, Dienstag, mit dem ACR Women Award 2012 ausgezeichnet. Mit dem Preis - ein Gutschein für Aus- und Weiterbildung in der Höhe von 2000 Euro - prämiert das KMU-Forschungsnetzwerk Austrian Cooperative Research (ACR) zusammen mit dem Wirtschaftsministerium jedes Jahr eine Wissenschafterin, die sich in einer männerdominierten Domäne behauptet.

Eine gewisse Begabung für das Naturwissenschaftliche sei ihr schon in die Wiege gelegt worden, sagt die 1975 im Schwarzwald geborene Bauingenieurin - ihr Vater hatte Mathematik und Physik unterrichtet. In dessen Fußstapfen trat sie auch, als sie ein Lehramtsstudium für Mathematik, Sport und Werken begann, das sie jedoch nach einem Sportunfall abbrach. Dem Hochbaustudium stand nichts mehr im Weg. Für den Schwerpunkt Holz entschied sie sich, "weil Holz für mich der wärmste Baustoff überhaupt ist. Und weil die meisten Stahl und Beton gewählt haben."

Nach dem Studium und einem Ausflug in die Praxis stellte Denzler fest, dass ihr die Forschung fehlte, also machte sie an der TU München das Doktorat. Danach zog es sie zur praktischen Umsetzung wieder in ein Ingenieursbüro. Bis sie 2009 den idealen Job für die Überbrückung des Zwiespalts zwischen Forschung und Wirtschaft fand - und zur Holzforschung Austria in Wien wechselte. Dort analysiert sie mit unterschiedlichen Fragestellungen alles, was zwischen Wald und Holzbrett liegt, also alle Stufen in dem Prozess, der aus einem runden Baumstamm ein möglichst optimales eckiges Produkt macht, wie Denzler erklärt - von der Vermessung der Bäume am Anfang bis zur Sortierung des Schnittholzes am Ende. Mit ihrem Team versucht sie, diese technologischen Verfahren der holzverarbeitenden Industrie zu optimieren, insbesondere was verschiedene Scanningmethoden betrifft.

So entwickelt sie derzeit eine Software für Scanning-Verfahren, mit denen das Volumen von Holzstämmen zuverlässig bestimmt werden kann, sobald sie im Sägewerk ankommen. "Wir versuchen nachzubilden, was der Mensch mit seinem Auge tut. Der Scanner soll also zum Beispiel anhand der Oberflächenstruktur und Farbe erkennen, ob der Stamm eine Rinde hat oder nicht."

Auch privat hat Denzler ein Auge für Holz: In großen Gebäuden mit offenem Dachstuhl kommt sie nicht umhin, als Erstes hochzublicken und dessen Beschaffenheit zu analysieren. Zu Hause bevorzugt sie die Wärme des Holzes, insbesondere im Kamin. "Das ist das Tolle am Holz: Was ganz am Ende der Verwendung übrigbleibt, kann man immer noch verheizen." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, 17. 10. 2012)