Dass der Kulturbegriff des ORF mitunter launige Pflänzchen zeitigt, ist wöchentlich im Kulturmontag nachzusehen. Da sind die Grenzen zwischen Pflicht, Kür und Belangsendung oft fließend, aber der Sendetermin erleichtert die Toleranz. Gegen den gesunden Schlaf vor Mitternacht ist wenig Vernünftiges vorzubringen.

Am Montag überraschte aber selbst der Kulturmontag seine Seherinnen und Seher mit einer Themensetzung, die seine eigentliche Aufgabe nur noch an den Rändern streift: 25 Jahre Seitenblicke wurden da kulturwürdig zurechtgebogen und von der eigenen Sendeanstalt geadelt. Seitenblicke ist das längstdienende Societyformat des ORF, ja, und wer da jetzt an Eigenwerbung denkt, dem ist nicht zu helfen.

Nun ist der Begriff Kultur natürlich geduldig gemacht worden und muss mit dem Determinans "Alltags-" für fast alles herhalten. Warum also nicht auch für die Abbildung jener Gesellschaft, deren Faszination an jene des Ekels am nächsten heranreicht?

Mit Wortspenden von Motivforschern und Kulturwissenschaftern lässt sich jede Bana lität akademisieren und mit scheinbarer Bedeutung versehen.

In der so erzeugten Aura wissenschaftlicher Illumination erfuhr man bereits lidschwer, dass der niedrige Trieb des Voyeurismus als ein Teil des Erfolgs des Formats vermutet wird. Wer hätte das gedacht?

Auch um den Anwurf zu erhärten, die Seitenblicke böten nur oberflächliche Zerstreuung, hätte die Laienexpertise eines Angeheiterten von der Straße gereicht. Nur wäre das natürlich nicht jener schöntuerischen Attitüde gerecht geworden, die der Kulturmontag so gerne verströmt. (Karl Fluch, DER STANDARD, 17.10.2012)