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Für Betroffene von Frauenhandel ist ein geschützter Raum wichtig, um eine neue Lebensperspektive entwickeln zu können.

Foto: REUTERS/JUMANA EL HELOUEH

Mehr Raum für von Menschenhandel betroffene Frauen gibt es seit kurzem in Wien. Im Vorfeld des EU-weiten "Anti-Trafficking Day" am 18. Oktober wurde am Montag eine neue Schutzwohnung für Frauen vorgestellt. Träger der Einrichtung ist der Verein "Solwodi Österreich - Solidarität mit Frauen in Not", der im Sommer von den Ordensschwestern der Salvatorianerinnen ins Leben gerufen wurde. Die offizielle Eröffnungsfeier des Hauses ist spätestens für das Frühjahr 2013 geplant, Leiterin der Stelle wird Anna Mayrhofer, die zuvor bereits 13 Jahre eine Schutzwohnung der deutschen Schwesternorganisation Solwodi in Osnabrück geleitet hat.

Großer Bedarf

Die Notwohnung, in der bis zu acht Frauen - gegebenenfalls auch mit Kleinkind - anonym aufgenommen werden können, soll den Betroffenen einen temporären geschützten Rahmen bieten, "um ihren Lebensalltag normalisieren zu können", so Mayrhofer. "Die Betroffenen sind oft sehr jung und traumatisiert. Aber vor allem sind sie alleine."

"Frauen, die aus der Ausbeutungssituation ausgebrochen sind, brauchen zuallererst Schutz und Sicherheit", berichtet auch die Zürcher Fachstelle Frauenhandel und Migration. "Der Ort, an dem sie in naher Zukunft ihren Alltag verbringen werden, ist daher von zentraler Bedeutung." Die Nachfrage an zusätzlichen Anlaufstellen sei groß, meint Mayrhofer, beziffern lässt sich der Bedarf allerdings kaum, da für Österreich keinerlei Zahlen zu den Betroffenen vorliegen.

Komplexe Problematik

Bislang gibt es österreichweit nur eine einzige Schutzwohnung dieser Art, ebenfalls in Wien, betrieben von der 1998 gegründeten Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ). Um die Rechte der betroffenen Frauen durchzusetzen, sei für Solwodi die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Einrichtungen unumgänglich, sagt Mayrhofer: "Die Problematik der Klientinnen ist so komplex, da sind Kooperationen mit anderen Organisationen wie LEFÖ, die ja schon lang Erfahrungswerte haben, sehr wichtig. Wir sehen uns als Ergänzung zu dem, was es schon gibt." Neben der Vermittlung von Rechtsberatung und medizinischer Behandlung bietet Solwodi u.a. auch psychsoziale Unterstützung sowie Begleitung bei Behördengängen an. 

Oftmals haben die Betroffenen einen prekären Aufenthaltsstatus - so sind viele mit den massiven Hürden des hiesigen Asylverfahrens konfrontiert. Zwar steht laut NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz) einem Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel der 2009 eingeführte Aufenthaltstitel "Besonderer Schutz" zu - diesen bekommen die Frauen allerdings nur dann, wenn ein Prozess läuft oder Schadenersatz und Schmerzensgeld eingeklagt wird. "Für die Betroffenen bedeutet das: Der Aufenthalt ist zu Ende, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt oder abbricht", wie LEFOE in einer Aussendung hinweist. Nicht zuletzt begeben sich Opfer von Menschenhandel, die vor Gericht gegen die TäterInnen aussagen, in Gefahr.

Späte Begriffserweiterung

Lange Zeit wurde Menschenhandel mit "illegaler Prostitution" gleichgesetzt. Erst 2000 einigte sich die internationale Gemeinschaft mit einem Zusatzprotokoll zum "Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität" auf eine einheitliche Definition des Begriffs "Menschenhandel": Darunter fallen unter anderem die Anwerbung und der Transport von Menschen unter Anwendung von Zwang oder Gewalt, Drohung oder Täuschung. Neben sexueller Ausbeutung wurden auch Zwangsarbeit, Sklaverei-ähnliche Beziehungen und Sklaverei als schwere Formen von Menschenhandel anerkannt, die Frauen wie Männer betreffen können.

Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO leisten weltweit rund 2,5 Millionen Menschen als Opfer von Menschenhandel Zwangsarbeit. Der Menschenhandel hat sich zu einem lukrativen Zweig in der organisierten Kriminalität entwickelt und steht mit einem jährlichen Gewinn von 32 Milliarden Dollar nach dem illegalen Drogen- und Waffenhandel an dritter Stelle. Die westlichen Industriestaaten gehören dabei zu den wichtigsten Zielregionen für gehandelte Menschen.

Mehrheit der Betroffenen ist weiblich

Dennoch liegt weiterhin ein Schwerpunkt in der Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels. Schließlich sind laut UNODC, dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, rund 80 Prozent der Opfer von Menschenhandel Frauen und Mädchen. Beim Menschenhandel in die Zwangsprostitution sind gar 98 Prozent der Betroffenen weiblich. (viyu, dieStandard.at, 16.10.2012)