Im Februar 2011 standen sich Leksand und Mora unter freiem Himmel gegenüber, 17.319 Fans kamen.

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ÖEHV-Nationalspieler Michael Raffl (23) spielt seit Sommer 2011 für den Leksands IF.

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Aktueller Stanley Cup-Sieger und Topsorer der letztjährigen NHL-Play-Offs. Ob des Lockouts spielt Anže Kopitar nun mit seinem Bruder in der zweiten Liga in Schweden.

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Im Westen Mittelschwedens liegt die Provinz Dalarna, auf deren knapp 30.000 Quadratkilometer nur gut 275.000 Menschen leben. Berühmt ist die Region für die Unberührtheit ihrer Natur, was sie zur beliebten Destination für sommerurlaubende Schweden macht - speziell zum hier noch sehr traditionsbewusst zelebrierten Mittsommer. Weniger bekannt ist, dass man in Dalarna auch Europas größten Meteoritenkrater findet: Ein mächtiger, zur Erde gestürzter Festkörper kosmischen Ursprungs hinterließ hier vor knapp 380 Millionen Jahren eine Senke von rund 52 Kilometern Durchmesser.

An beiden Ufern

Der südliche Teil des Kraters ist heute mit Wasser gefüllt, über rund 290 Quadratkilometer erstreckt sich der Siljan See, der damit fast doppelt so groß wie der Neusiedler See in Österreich ist. In den langen Wintern Dalarnas friert er ebenso wie seine Nebengewässer zu, wenig verwunderlich, dass die Region auf eine weit zurückreichende Tradition im Wintersport auf Kufen verweisen kann. Zentren des Eishockeys sind dabei das am Südufer des Siljans gelegene Leksand sowie Mora an dessen Nordufer. Die beiden Orte, die gemeinsam weniger als 17.000 Einwohner zählen, verbindet seit Jahrzehnten eine erbitterte Rivalität, neben den innerstädtischen Duellen in Stockholm gehen die heißesten Derbys Schwedens in Dalarna über die Bühne.

Populärster Klub Schwedens

Zwar ist der 1919 gegründete Leksands IF (Vereinsfarben: blau und weiß) der ältere der beiden Vereine, Eishockey wurde aber im Mora IK (rot, grün und weiß) zuerst gespielt, im Jänner 1938 stand man sich schließlich erstmals gegenüber. Als mit der 1975 vollzogenen Reform des schwedischen Ligensystems die bis heute existierende Elitserien eingeführt wurde, kostete das Mora seinen Platz in der höchsten Spielklasse, Leksand hingegen sollte sich bis 2001 durchgehend in der ersten Liga halten. Im Laufe dieser knapp drei Jahrzehnte blieb der vierfache Meister zwar ohne Titel, avancierte jedoch zum populärsten Klub des Landes mit Fans in allen Regionen Schwedens. In den beiden letzten Saisonen vor dem erstmaligen Abstieg stand in 89 Spielen Reinhard Divis im Tor Leksands und wurde damit zum ersten Österreicher in der höchsten schwedischen Liga.

Gefangen in der Zweitklassigkeit

Seit 2008 gehören wieder beide am Siljan beheimatete Klubs der Allsvenskan, der zweithöchsten Spielklasse, an. Dies schmerzt speziell den ambitionierten Leksands IF, der mit einem Jahresumsatz von gut neun Millionen Euro und einem nominellen Erstligakader bisher Jahr für Jahr an der Rückkehr in die oberste Etage vorbeischrammte. Ein wiederholtes Scheitern, das den wirtschaftlichen Druck auf den Klub massiv erhöht hat. Zwar kamen in der heurigen Saison im Schnitt über 5.500 Zuschauer zu jedem Heimspiel, ausgelegt ist die sich im Vereinsbesitz befindliche und mit mehr als 2,5 Millionen Euro Betriebskosten maßgeblich im Budget niederschlagende Heimstätte aber auf Erstliga-Alltag.
In Mora, vor vier Jahren aus der Elitserien abgestiegen, bäckt man seit jeher kleinere Brötchen, den Abwärtstrend bis ins Zweitliga-Mittelfeld wollte man in diesem Sommer aber auch am Südufer des Siljans nicht mehr länger akzeptieren. Die Klubführung beließ es nicht bei einem Wechsel auf der Kommandobrücke: Man verpflichtete Patric Wener, zuletzt drei Jahre im Nachwuchs des EC Salzburg aktiv und im Vorjahr auch kurzzeitig österreichischer U18-Nationaltrainer, als neuen Coach und übertrug ihm zusätzlich auch die Funktion des Sportdirektors. Der mit einer Kärntnerin verheiratete Schwede erhielt den Auftrag, den gesamten sportlichen Bereich im Verein auf neue Beine zu stellen.

Stanley Cup-Sieger

Wener, in den letzten Jahren eine der großen Trainer-Nachwuchshoffnungen in Österreich, restrukturierte den Mora IK bis weit in die Juniorenteams hinein. Für die in der höchsten nationalen Spielklasse aktive U18-Mannschaft verpflichtete er etwa den erst 25jährigen Klagenfurter Mario Kogler als Cheftrainer. Auch in der Zusammenstellung seiner Mannschaften schlug sich Weners Vergangenheit in Mitteleuropa nieder: In das A-Team brachte er aus Salzburg Christofer Schumacher und Jens Holmström mit, der U20 schlossen sich Alexander Cijan und Luka Kalan an, die U18 verstärken Philipp Kreuzer und Nik Pem.
Als vielleicht wichtigste Verpflichtung erwies sich jedoch der Slowene Gašper Kopitar, ebnete er doch den Weg dafür, dass sein Bruder Anže, aktueller Stanley Cup-Sieger und Topscorer der letztjährigen Play-Offs, für die Dauer des NHL-Lockouts das Trikot des Zweitligisten Mora überstreift.

Exodus in die Hauptstadt

Auf einen Star der Kategorie Kopitar kann Leksand in diesem Jahr nicht bauen, dennoch liegt man aktuell auf dem guten zweiten Tabellenplatz. Einer von vier Legionären im Kader ist der Villacher Michael Raffl, der nach einer passablen Premierensaison im Sommer einen neuen Vertrag über zwei Jahre im 6000-Seelen-Ort unterzeichnete.
Auch für ihn zählen die Lokalderbys gegen Mora zu den großen Highlights der Saison. Für eines der Duelle wird er mit seinem Team heuer jedoch nicht bloß ans andere Ufer des Sees reisen müssen. Denn eine der intensivsten Lokalrivalitäten im schwedischen Eishockey wird am 5. Jänner im mehr als 300 Kilometer entfernten Stockholm ausgelebt: Den dortigen Globen, die einem überdimensionalen Golfball gleichende, größte Veranstaltungshalle des Landes, hat sich Mora als Austragungsort für die "Schlacht um den Siljan" ausgesucht. Umgelegt auf Österreich käme das einem in Wien ausgetragenen Kärntner Derby zwischen KAC und VSV gleich.

Blau gegen Rot, das Duell eines historisch erfolgreicheren Klubs gegen einen aufbegehrenden Underdog, gewürzt mit reichlich Lokalkolorit und den gesponnenen Mythen jahrzehntelanger Rivalität, sich abspielend in einer geographischen Randregion. Der eishockeyspezifischen Parallelen gibt es zwischen Dalarna und Kärnten genug. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 15.10.2012)