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Ali Zidan, neuer designierter Premier in Libyen.

Foto: REUTERS/Mohammed Dabbous/Files

Tripolis/Wien - Wenn am Samstag der erste Todestag von Muammar al-Gaddafi begangen wird, hat Libyen zumindest wieder einen designierten Premier. Am Sonntagabend wurde vom Nationalkongress in Tripolis Ali Zidan gewählt, der schaffen soll, woran sein Vorgänger Mustafa Abu Shagur nach gut drei Wochen im Amt gescheitert war: eine Regierung zu bilden, der die in ihren Partikularinteressen verstrickten Parlamentarier zustimmen können.

Ali Zidan, 62, gewann knapp mit 93 Stimmen von 179 anwesenden Abgeordneten. Sein Parlamentsmandat als Unabhängiger hatte er zurückgelegt, um antreten zu können. Er wird eher den "Liberalen", wie sie medial oft genannt werden, zugerechnet, ein irreführender Begriff, denn die "Nichtislamisten" haben zwar keine islamische Agenda, vertreten deswegen aber nicht gleich säkulare oder liberale Anliegen. Auch Zidan sagte in einer Pressekonferenz nach seiner Wahl: "Der Islam ist unser Glaubenssystem und die Quelle aller Jurisprudenz, und alles, was gegen die Scharia ist, ist abzulehnen."

Ali Zidan war Diplomat, bis er sich 1980 der Opposition anschloss, gleichzeitig mit seinem Vorgesetzten, Libyens Botschafter in Indien: dem heutigen Parlamentspräsident und damit amtierenden Staatschef Mohammed al-Magarief. Magarief gründete 1981 die "Nationale Front für die Rettung Libyens", in die auch Zidan eintrat. Bei Ausbruch des Aufstands kehrten sie zurück, und im August 2012 beworben sich beide um das Amt des Präsidenten des ersten frei gewählten libyschen Parlaments, wobei Zidan unterlag.

Der neue Premier muss nicht nur einen Ausgleich zwischen den beiden stärksten Fraktionen, der NFA (National Forces Alliance) von Mahmud Jibril und der schwächeren Muslimbruderpartei JCP (Justice and Construction Party), schaffen, sondern die Wünsche der Unabhängigen erfüllen, die sich oft nur ihren Herkunftsgemeinschaften (Städten, Stämmen) verpflichtet fühlen.

Als sein erstes Anliegen hat Zidan die Sicherheit des Landes genannt, hinter dem nach der Attacke von islamistischen Milizen auf das US-Konsulat in Bengasi und dem aktuellen militärischen Ausstand um die Stadt Bani Walid ein Fragezeichen steht. Viel ist von Demobilisierung und Entwaffnung die Rede, aber der Staat hat keine Mittel, den Milizen seinen Willen aufzuzwingen. Bevor der politische Kuchen - wozu Ministerien gehören - nicht zu aller Zufriedenheit verteilt ist, werden die Akteure nicht auf ihre "Argumente" - Waffen - verzichten.

Der Staat oder die Lokalverwaltungen haben den Milizen auch eigene Aufgaben, die sie selbst nicht erfüllen können, übertragen: Ein gutes Beispiel dafür sind die Ansar al-Sharia, bei deren Angriff in Bengasi der US-Botschafter getötet wurde. Sie waren auch für die Sicherheit des örtlichen Krankenhauses verantwortlich. Seit ihrer Auflösung (an die ohnehin niemand glaubt) hat sich die Lage dort verschlechtert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 16.10.2012)