Podgorica - Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Montenegro haben offenbar zu keiner wesentlichen Veränderung des Kräfteverhältnisses im kleinen EU-Beitrittsanwärter geführt. Die seit 1991 ununterbrochen regierende Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) von Milo Djukanović und ihre Bündnispartner bleiben wohl an der Macht. Zum ersten Mal seit 2001 erreichten die DPS und ihr langjähriger wichtigster Bündnispartner, die Sozialdemokratische Partei (SDP) des Parlamentspräsidenten Ranko Krivokapic, allerdings keine absolute Parlamentsmehrheit.
Dies ist wohl auf die Änderung des Wahlgesetzes im Vorjahr zurückzuführen, die einen leichteren Sprung ins Parlament für die Parteien der Minderheiten ermöglichte. Deswegen hat sich auch der bisherige Regierungspartner, die kleine Bosniakische Partei (BS), zu einem selbstständigen Antritt bei den Parlamentswahlen entschlossen und sich drei von insgesamt 81 Parlamentssitzen gesichert.
"Europäisches Montenegro", das Wahlbündnis um die DPS, hat am Sonntag nach Schätzung des nicht-staatlichen Zentrums für Monitoring (CEMI) rund 162.000 Stimmen errungen. Vor drei Jahren waren es um 6.000 mehr. CEMI zufolge wird das Bündnis allerdings nur 39 oder höchstens 40 Parlamentssitze haben, um neun oder acht weniger als bisher.
Minderheitenparteien entscheidend
"Wir haben ein glänzendes Resultat und einen großen Sieg verbucht", meinte Djukanović dennoch vergangene Nacht. Für den langjährigen montenegrinischen Regierungs- und Staatschef gibt es keinen Zweifel. Die DPS wird erneut das Regierungsbündnis anleiten. Djukanović rechnet offenbar mit der erneuten Mitarbeit der Bosniakischen Partei, auch wenn sich deren Chef Suljo Mustafic vergangene Nacht noch nicht festlegen wollte. Als potenzielle Regierungspartner gelten auch die Kroatische Bürgerinitiative und die Albanerparteien, die mit drei Sitzen im Parlament vertreten sein werden. Ob er erneut das Regierungsruder übernehmen werde, sagte Djukanović noch nicht.
Die Minderheitenparteien würden zum Zünglein an der Waage werden, glaubt der politische Analyst Svetozar Jovicevic. Sie befänden sich derzeit in einer ähnlichen Situation wie 2006, als sie eine historische Rolle beim Unabhängigkeitsreferendum gespielt hätten. Die führenden Oppositionsparteien waren damals gegen die Trennung Montenegros von Serbien.
Mit der Unterstützung der Minderheiten rechnet allem Anschein nach auch der Chef des führenden Oppositionsbündnisses, der Demokratischen Front, Miodrag Lekic, der sich in der Nacht auf Montag für die Bildung einer Regierung der "nationalen Einheit" einsetzte.
Wahlverlierer SNP
Der 65-jährige einstige Berufsdiplomat gehörte einst zu Mitarbeitern von Djukanović, um sich später von ihm zu trennen. Kurz vor dem Unabhängigkeitsreferendum befürwortete Lekic, damals Botschafter Belgrads in Rom, die Wahrung des serbisch-montenegrinischen Staatenbundes. Im Wahlkampf ließ der DF-Chef wissen, dass sein Bündnis, in welchem sich auch stark proserbische Parteien befinden, die Referendumsergebnisse auf keine Weise infrage stellen würde.
Zuerst bleibt es jedoch noch völlig unklar, ob die kleineren Parteien, die den Sprung ins Parlament geschaffen haben, überhaupt zu einem Regierungsbündnis mit der DF bereit wären. Für den Neuling auf der politischen Szene, die Partei Positives Montenegro von Darko Pajovic, die sich mit gut 31.700 Stimmen laut CEMI sieben Parlamentssitze gesichert hat, dürfte eine eventuelle stark proserbische Ausrichtung keineswegs annehmbar sein. Ohne Positives Montenegro hat die DF gar keine Chancen, an die Macht zu kommen.
Der große Wahlverlierer ist die bisher führende Oppositionskraft, die proserbische Sozialistische Volkspartei (SNP). Die Partei von Srdjan Milic hat sich neun Sitze gegenüber 16 bisherigen gesichert. Das ist das schlechteste Wahlergebnis seit der Parteigründung in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre. Es wird nicht zuletzt auch auf einen parteiinternen Streit über einen eventuellen Anschluss an die DF zurückgeführt.
Nach dem neunten Sieg seiner Partei bei den Parlamentwahlen hintereinander machte Djukanović keinen Hehl aus seiner Freude. Europäisches Montenegro sei das einzige Regierungsbündnis, welchem es in den Zeiten der Wirtschaftskrise in einem europäischen Staat gelungen sei, das Vertrauen der Bürger zu wahren, so der DPS-Chef.
Das Land der "wilden Schönheit" ist in der Tat ein Staat der großen Kontraste, nicht nur von der Natur her. Während der Durchschnittslohn bei knapp 500 Euro liegt, wird das Vemögen des "starken Mannes" Djukanović laut früheren Medienberichten auf 11,5 Mio. Euro geschätzt. Das wirtschaftliche Wachstum dürfte heuer gar bei Null liegen. Der Wert des Verbraucherkorbs einer Durchschnittsfamilie wird auf etwa 800 Euro geschätzt. (APA, 15.10.2012)