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Eine Reiseleiterin der Agentur Corrupt Tour begrüßt ihre Gäste vor dem österreichischen Kulturinstitut in Prag.

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Die Korruption betrifft alle Parteien. Präsident Klaus begrüßt Premier Necas, Top-09-Chef Schwarzenberg und VV-Vorsitzenden John.

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Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den tschechischen Medien nicht das Wort "Korruption" oder "Affäre" auftaucht. Und häufig werden beide Begriffe im einem Atemzug genannt. Tschechien ist 23 Jahre nach der Wende mit einer nie dagewesenen Welle von Enthüllungen konfrontiert, bei denen es um Bestechung, Vetternwirtschaft oder persönliche Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit geht.

Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Nicht zuletzt deshalb, weil die junge Generation an der Spitze der tschechischen Staatsanwaltschaft rund um Chefankläger Pavel Zeman in die Offensive gegangen ist und auch vor politisch brisanten Fällen nicht zurückschreckt.

Lange fand Korruption offiziell nur auf der obersten Ebene statt. Dabei ging es um das klassische Repertoire: überteuerte Autobahnen oder Straßentunnels, den Verkauf von Unternehmen in Staatsbesitz wie auch Anschaffungen für das Heer. In diesen Fällen konnte man davon ausgehen, dass mindestens zehn Prozent, oft sogar noch mehr, schon von vornherein als Schmiergeld für Entscheidungsträger eingeplant waren.

Verteilung von Provisionen

Nur so ist es wohl zu erklären, dass der frühere einflussreiche Berater des damaligen Premiers Mirek Topolánek, Marek Dalík, verdächtigt wird, im Zusammenhang mit der Anschaffung von 107 Pandur-Radpanzern für die Armee von Steyr eine Provision von 18 Millionen Euro verlangt zu haben. Es wird vermutet, dass dieses Geld später verteilt werden sollte.

Doch die spektakuläre Verhaftung des einflussreichen sozialdemokratischen Kreishauptmanns von Mittelböhmen, David Rath, im Frühjahr dieses Jahres zeigte, welche Abgründe sich auch eine Etage tiefer auftun können. Rath hatte zum Zeitpunkt der Festnahme sieben Millionen Kronen (285.000 Euro) in bar bei sich, die er zuvor als "Belohnung" erhielt. Wohl noch bunter ging es in Nordwestböhmen bei der Verteilung von Geldern aus EU-Fördertöpfen zu. Dort stehen mittlerweile sogar drei Chefs der regionalen Förderagentur unter Anklage, und die EU musste die Auszahlung der Mittel stoppen.

Die Bürger reagieren auf diese Fälle mit wachsender Frustration, und wie das Wochenende zeigte, auch mit zunehmender Abstinenz bei Wahlen. Kein Wunder, denn Korruption war schon bei den letzten Parlamentswahlen 2010 ein Schlüsselthema. Aus der Sicht der Bürger hat sich seither nichts Wesentliches geändert - ganz im Gegenteil, die Korruption scheint noch mehr allgegenwärtig zu sein als jemals zuvor.

Korruption betrifft alle

Damals sorgte vor allem die Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV) für Furore, als sie den sogenannten "Dinosauriern in der tschechischen Politik" den Kampf ansagte und den Korruptionssumpf austrocknen wollte. Mehr als zehn Prozent der Tschechen schenkten der Partei ihre Stimme.

Doch schon nach einigen Monaten war klar, dass die Spitzenpolitiker der VV selbst im Dickicht der Korruption gefangen sind und ihr politisches Engagement in erster Linie als Mittel verstehen, wie sie an lukrative Aufträge des Staates gelangen können.

Dass vor Korruptionsvorwürfen im heutigen Tschechien niemand gefeit ist, zeigt nicht zuletzt auch die zweite neue Partei, die liberal-konservative Top 09 von Außenminister Karl Schwarzenberg. Zwar war sie vor drei Jahren eine der ersten, welche die Namen aller größeren Sponsoren in regelmäßigen Abständen veröffentlichte und zeitweilig sogar einen Aufnahmestopp für neue Parteimitglieder verhängte, um den Ansturm von Konjunkturalisten zu begegnen. Aber auch sie ist mittlerweile in die Schlagzeilen geraten. Einer ihrer Schlüsselminister, Jaromir Drábek, trat unlängst zurück, weil dessen rechte Hand im Arbeitsministerium unter dem Verdacht steht, bestechlich gewesen zu sein. Einige Medien vermuten, dass auch verdeckte Parteienfinanzierung im Spiel war.

Somit zeigt sich immer stärker, dass die Finanzierung der klammen Kassen der tschechischen Parteien eine der wichtigsten Schleusen für Korruption eröffnet. Kaum ist ein aufwändiger Wahlkampf vorbei, steht den Parteien nach wenigen Monaten schon der nächste ins Haus. Nach den jüngsten Kreis- und Senatswahlen folgen im Jänner die Präsidentschaftswahlen. Die traditionellen Parteien versuchen zumindest offiziell, ihre Budgets auf Sparflamme zu halten. Wo aber die verschiedenen und zum Teil hoch gehandelten unabhängigen Kandidaten ihr Geld herhaben, ist weitgehend unbekannt. (Robert Schuster, DER STANDARD, 15.10.2012)