"Dishonored" ist für PS3, Xbox 360 und PC erschienen. Das Spiel kostet in der Konsolenfassung 50 Euro, die Windows-Ausgabe ist ab 40 Euro erhältlich.

Foto: Bethesda Softworks
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Schleichen und kämpfen inmitten einer Steampunk-Dystopie: Das verspricht "Dishonored" von den Arkane Studios. Ein Spiel, das schon vorab mit viel Lob bedacht wurde. Und auch seit dem Release vor rund einer Woche ist das Echo positiv. Der GameStandard hat dem Hoffnungsträger auf den Zahn gefühlt.

Tiefer Fall eines Retters

Es sind keine leichten Zeiten für die Bewohner von Dunwall. Der nach dem Vorbild von Edinburgh und London des vorletzten Jahrhunderts entworfene Stadtstaat wird von einer Seuche heimgesucht, die zahlreiche Bewohner zu zombieartigen Gestalten ("Weiner") macht, bevor es sie dahinrafft. Die Kaiserin schickt den Spieler in Person ihres höfischen Gesandten Corvo Attano übers Meer, um Hilfe von Außen zu organisieren.

Doch niemand möchte Dunwall beistehen. Der Protagonist kommt wenige Tage früher als geplant heim und landet mitten in einer Verschwörung. Nachdem er der Herrscherin die traurige Kunde übermittelt, wird diese von aus dem Nichts auftauchenden Schurken gemeuchelt und ihre kleine Tochter Emily entführt. Als die Wachen heraneilen, sind die Mörder längst wieder verschwunden und Corvo wird als Mörder festgenommen und eingekerkert.

Vom Gesandten zum Rebellen

Dort wartet er schließlich auf seine Hinrichtung. Und bei dieser Gelegenheit verrät ihm der bald an der Macht befindliche Bösewicht im Stile eines alten Filmfieslings von seinem Plan. Dieser rechnet aber nicht mit den "Kaisertreuen", einer Gruppe von Anhängern der Kaiserin, die mit der Tyrannei des neuen Herrschers nicht einverstanden sind. Mit ihrer Hilfe entwischt der Spieler in seiner ersten Mission aus dem Gefängnis.

Die im Wesentlichen aus zwei Rädelsführern, einem Techniker und einem Bootsmann bestehende Bande hat sich in einem verlassenen Pub in der Quarantänezone eingerichtet. Von dort aus bricht der Protagonist zu immer neuen Aufträgen auf, in deren Verlauf Günstlinge des Diktators ausgeschaltet werden und dieser gestürzt werden soll.

Hübsche Steampunk-Stadt

Dunwall ist, obwohl man dem auf Basis der Unreal Engine 3 entwickelten Spiel an der einen oder anderen verwaschenen Textur deutlich anmerkt, dass die PC-Version ein Konsolenport ist, hübsch und atmosphärisch umgesetzt. Den Umgebungen der einzelnen Aufträge merkt man die Handarbeit sehr positiv an.

Die comichafte Grafik passt zum Stil des Spieles. Auch über die Akustik kann man wenig klagen. Die Sprachausgabe ist sowohl bei der englischen als auch bei der deutschen Synchronisation auf hohem Niveau. Wer kann, sollte jedoch Erstere bevorzugen.

Erzählerische Mängel

Doch genau, wenn es für die um Atmosphäre wichtige Immersion durch die Identifizierung des Spielers mit dem Hintergrund der Figur und den anderen Protagonisten geht, haben die Arkane Studios massiv gepatzt. Die einführende Handlung bis zur Flucht aus Dunwall spielt sich in derart kurzer Zeit ab, dass den Spieler das Schicksal der virtuellen Metropole erstmal nur wenig berührt, geschweige denn ein "Entehrungs-Gefühl", wie es der Name des Spieles nahelegt, aufkommt.

Ein Patzer, der sich schwer ausmerzen lässt. Was aber auch gar nicht versucht wird. Abseits von Emily, den beiden Rädelsführern der Rebellen und vielleicht Samuel, dem treuen Bootsmann, bleiben keine Figuren wirklich in Erinnerung. Und selbst deren Präsentation verfügt nur über mäßigen Tiefgang. Auch eine später folgende Wende in der Handlung ist leider früh absehbar.

Hoffnungsträge

Die Gründe dafür können nur vermutet werden. Gut möglich, dass die Ressourcen für intensiveres Storytelling schlichtweg nicht vorhanden waren. Immerhin ist das Szenario von Dishonored nicht unbedingt das massenkompatibelste und die Grafik gut, aber kein Gassenhauer. Dazu profitiert man auch nicht vom Namen einer großen Serie und auch das Gameplay spricht möglicherweise nicht jeden an.

Genau da macht der Titel aber vieles wieder wett. Soviel, das manche Medien mit Superlativen um sich schmissen und gleich die große Revolution in Sachen innovativer Spielmechanik ausriefen. Eine Einschätzung, der widersprochen werden muss. "Dishonored" ist eine sinnvolle Kombination mehrerer Genres und ein Schritt weiter auf der evolutionären Leiter. Und dabei eben eine verdammt gelungene Weiterentwicklung.

Vom Schleichen...

Sucht man den Vergleich, so wird man ziemlich sicher bei einem Klassiker des Schleichgenres fündig: Der "Thief"-Reihe. Wie einst der Meisterdieb kann man seine Gegner umschleichen und von hinten in die Bewusstlosigkeit würgen, den Schatten nutzen und sich mit allerlei übernatürlichen Fähigkeiten helfen.

Diese verdankt man übrigens dem "Outsider", eine mysteriöse Figur, deren Bedeutung bis zum Schluss unklar bleibt, zumal auch sie nur mal so "nebenbei" vorgestellt wird. Die aktiven und passiven Fähigkeiten werden nach dem Aufsammeln von Runen in einem übersichtlichen Skillset freigeschalten. 

...Klettern und kämpfen

Ans Ziel führen stets mehrere Wege, sowohl was den Zugang zur Zielperson betrifft als auch die Vorgehensweise. Es darf geklettert werden. Manche der Routen sind offensichtlich, manche wollen erst entdeckt werden und die eine oder andere ist erst unter Benutzung bestimmter Skills zugänglich. Die Kraxlerei über Vorsprünge und Dächer erinnert an ein anderes Game, "Mirror's Edge".

Wer will, kann aber auch in den Frontalangriff übergehen und sich in nett gemachten Schwertkämpfen und Schusswaffenduellen durch die feindlichen Reihen metzeln. Beides funktioniert und hat Auswirkungen auf den Verlauf der Aufträge und der gesamten Handlung. Nur sehr selten scheint "Dishonored" dem Spieler eine bestimmte Gangart aufzwingen zu wollen.

Freiheit der Wahl

Auch das Missionsziel selbst kann unterschiedlich erreicht werden, oft gibt es eine Alternative dazu, die Zielperson zu töten. Gerade diese ernstgemeinte Freiheit ist der einzige Punkt, der diesem Titel tatsächlich als Innovation angerechnet werden kann. Sie verleiht dem mit sechs bis sieben Stunden Nettospielzeit eher knapp bemessenen Abenteuer auch einen gewissen Wiederspielwert.

Während man in Dunwall unterwegs ist, kann man Baupläne, Geld und Gemälde entdecken, was in der Regel jedoch Umwege nötig macht. Die Münzen lassen sich schließlich beim Rebellen-Bastler Piero in ein erweiterbares Repertoire aus Munition und Gadgets stecken.

Abstimmungsprobleme

Im Verlauf der Handlung offenbaren sich jedoch Schwächen im Balancing. So gelang es während dem Test ausgerechnet in den letzten Missionen öfters, diese ohne dem Tod eines einzigen Gegners zu absolvieren, als zu Beginn des Spieles. Ihren Beitrag dazu leistet die eher bescheidene künstliche Intelligenz.

Es ist nicht nur relativ leicht, gegnerischen Wachleuten zu entkommen, nein, diese sind auch außerordentlich vergesslich. Auch das könnte der Konsolenvorlage geschuldet sein, ist derlei Sorte Spiel mit einem Controller doch schwerer zu bewerkstelligen als mit Maus und Tastatur. Probleme bereiten nur schwer bewaffnete Kontrahenten wie die "Tallboys", die Erinnerungen an die "Strider" des zweiten "Half-Life"-Teils wecken.

Wirklich schwer wird es "Dishonored" tatsächlich nur, wenn man sich vornimmt, möglichst unauffällig vorzugehen, da dies an bestimmten Stellen der Missionen schon aufgrund des Kartenaufbaus sehr herausfordernd ist. Einigermaßen erfahrene Zocker sollten zumindest den dritten der vier Schwierigkeitsgrade wählen.

Fazit

Alles in allem war das nun viel Kritik. Es gibt jedoch keinen Grund, sich enttäuscht von diesem Titel abzuwenden, denn die Nörgelei findet auf hohem Niveau statt. Der Steampunk-Genremix macht trotz der erörterten Mängel viel Spaß. Das Erforschen der Stadt über den akrobatischen Weg ist ungeheuer motivierend. Einen kompletten Wachtrupp auszuschalten, ohne jemanden zu töten oder entdeckt zu werden, erfüllt gar mit ein wenig Stolz.

Das Experiment "Dishonored" ist geglückt und macht Lust auf mehr. Und das dürfte auch der Grund sein, warum der Titel teils mit mehr Lob überschüttet wurde, als er eigentlich verdient. In jener Wüste, in der sich die Spielewelt nicht selten auf ein paar große Spielereihen und wenig wahrgenommene Indie-Perlen reduziert, macht es Hoffnung, dass der Massenmarkt mehr akzeptiert, als die x-te Fortsetzung von "Call of Duty" und Konsorten. Der sich abzeichnende Verkaufserfolg könnte insofern tatsächlich eine kleine Renaissance für mutigere Entwickler und Publisher einleiten.

Derweil heißt es aber Warten auf zusätzliche Download-Inhalte für eine Rückkehr nach Dunwall. Das könnte Steampunk-Freunden die Wartezeit auf ein weiteres, hoch gehandeltes Spiel - "Bioshock Infinite" - verkürzen. Der neue Titel von Irrational Games soll Ende Februar 2013 fertig sein. (Georg Pichler, derStandard.at, 14.10.2012)

"Dishonored" ist für PS3, Xbox 360 und PC erschienen. Das Spiel kostet in der Konsolenfassung 50 Euro, die Windows-Ausgabe ist ab 40 Euro erhältlich.