Montenegro ist der nächste Balkanstaat, nach dem Beitritt von Kroatien im Juli 2013, der eine Chance hat, der EU beizutreten. In Podgorica rechnet aber niemand damit, dass das vor 2020 gelingen könnte. Im Dezember soll zumindest das erste Kapitel im Rahmen der Beitrittsverhandlungen geöffnet werden. Erstmals legt die EU Wert darauf, dass die heiklen Kapitel Justiz und Sicherheit prioritär behandelt werden. Denn Montenegro liegt auf der Drogenschmuggelroute nach Westeuropa.

Erstmals hat die EU auch einen Monitoring-Bericht von der Europol eingefordert. Bedenklich stimmt etwa der Fall des flüchtigen Drogenbarons Darko Šarić, der Kopfgelder auf serbische Politiker aussetzen ließ. Šarić wird verdächtigt, Geld über Konten auf montenegrinischen Banken gewaschen haben. Die größte montenegrinische Bank, Prva Banka gehört zu 30 Prozent dem Bruder von Milo Ðukanović, Aco Ðukanović. Ein weiterer Fall betrifft den aus dem Kosovo stammenden Drogendealer Naser Kelmendi mit bosnischem Pass, der seine Steuerschulden in Montenegro in bar bezahlt. Kelmendi, der noch vergangenen Sommer in Podgorica herumspazierte, steht seit diesem Juni unter US-Sanktionen. US-Präsident Barack Obama setzte ihn auf eine Liste von 97 gesuchten ausländischen Kriminellen. 

Undurchsichtige Privatisierungen

Die EU moniert, dass es nur wenige Verurteilungen wegen Korruption auf höchster Ebene gibt. Viele Privatisierungen der letzten Jahre, bei denen auch russische Unternehmer zum Zug kamen, bleiben undurchsichtig. Das Aluminiumwerk KAP etwa, das Oleg Deripaska 2005 übernahm, ist mittlerweile hoch verschuldet. Die Arbeitsplätze schwanden, gleichzeitig müssen die Steuerzahler viele Millionen Euro für den Erhalt des größten Unternehmens Montenegros beisteuern. Auch an der Küste ist der Bau von vielen Hotels durch die Finanzkrise ins Stocken geraten.

Der ehemalige Bürgermeister von Budva, Rajko Kuljača und der Bruder des ehemaligen Präsidenten Svetozar Marović, Dragan Marović wurden mittlerweile verurteilt, weil sie ohne rechtliche Grundlage die Halbinsel Zavala russischen Investoren überließen und 821.000 Euro veruntreuten. Die Skandale konnten der Regierungspartei DPS aber bisher nichts anhaben. Erst vergangene Woche wurde DPS-Chef und „Vater der Nation", der 50-jährige Milo Ðukanović, der Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit führte, von einem Untersuchungsausschuss befragt. Beim Verkauf der staatlichen Telekom an die Magyar Telekom, eine Tochter der Deutschen Telekom, sollen im Jahr 2005, nach Erkenntnissen der US-Finanzbehörden, Schmiergelder in der Höhe von 7,35 Millionen Euro an drei montenegrinische Spitzenfunktionäre geflossen sein. Angeblich ist auch die Schwester Ðukanovićs, Ana Kolarević involviert. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 13.10.2012)