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Vor allem männliche Jugendliche der oberen Mittelschicht sind von Fettleibigkeit betroffen. 

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Nach der WHO-Definition liegt eine Adipositas oder Fettleibigkeit ab einem Körpermasseindex (BMI) von 30 kg/m² vor.

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Chinas Dicke leben in den Städten. Dort, wo in den letzten 30 Jahren auch der Wirtschaftsboom Einzug hielt. Erst kürzlich veröffentlichte das chinesische Gesundheitsministerium eine Studie, dass sechsjährige Buben heute um 6,35 Zentimeter größer und um knapp drei Kilogramm schwerer sind als noch vor drei Jahrzehnten.

Mit der Öffnung Chinas zum Westen haben sich auch die Gewohnheiten der Chinesen radikal verändert: Neue Technologien förderten Arbeit im Sitzen, Wohlstand breitete sich aus. Statt Reis und Gemüse standen und stehen zunehmend Fleischgerichte auf dem Speiseplan. Eine Entwicklung, die explosionsartig zunahm. Fleisch machte im Jahr 1965 noch sechs Prozent der Nahrung aus, 2005 bereits 27 Prozent. Von den frühen 1990ern bis zum Jahr 2007 ist die Nachfrage um 400 Prozent gestiegen. Das heißt, mehr als die Hälfte aller Schweine weltweit werden in China verzehrt. Die Folgen sind unübersehbar.

Verhätschelte Einzelkinder

Fettsucht ist ein weltweites Problem, doch nirgends ist die Zunahme dramatischer als in China. Vor nur einer Generation war hier kaum jemand übergewichtig. Zwischen 2005 und 2011 hat sich die Zahl verfünffacht und liegt laut Angaben der WHO heute bei stattlichen fünf Prozent. Nicht viel? Doch, denn gemessen an der Größe des Landes sind 100 Millionen Menschen betroffen. 20 Prozent der Fettleibigen lebt in den Metropolen, besonders stark betroffen sind männliche Jugendliche aus Familien mit höherem Einkommen und höherer Bildung. In den USA gibt es laut "American Journal of Health Behavior" keinen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen.

Ausschlaggebener Grund: Die Ein-Kind-Politik in China führte dazu, dass der - überwiegend männliche - Nachwuchs besonders umsorgt oder verhätschelt wird (Little Emperor Syndrome) - von den Eltern und in vielen Fällen auch von zwei Paar Großeltern. Interessant auch, dass eine Mehrheit der chinesischen Erwachsenen angibt, nach wie vor viel Gemüse zu essen und auch sportlich aktiv zu sein, während US-Amerikaner lieber nach Fertigmenüs, Fast Food oder Tiefgefrorenem greifen. Ein Trend, ein Braten, den auch westliche die Unternehmen in China längst gerochen haben.

Fast-Foodketten frohlocken

Um den steigenden Hunger nach Burger & Co zu stillen, hat McDonald's bereits angekündigt im Jahr 2015 täglich ein Restaurant in China zu eröffnen. Das Rezept von Konkurrent Burger King: In den nächsten Jahren sollen 1.000 neue Filialen in der Volksrepublik entstehen. Noch mehr Fleisch, noch mehr Fett, noch mehr Frittiertes.

92 Millionen von den insgesamt 1,3 Milliarden Chinesen leiden laut einer Studie des New England Journal of Medicine (März 2010) als Folge der Fettsucht bereits an Diabetes. Behandlungskosten, Krankenstände, Produktivitätsrückgang und Arbeitsunfähigkeit steigen rasant. Die dadurch direkt oder indirekten Kosten beliefen sich im Jahr 2000 noch bei 3,58 Prozent des BIP, 2025 sollen sie bereits bei knapp neun Prozent liegen.

Peking reagiert nur langsam. Für 2013 plant die Regierung einen umfassenden Gesundheits-Check aller Kinder unter sechs Jahren, um die Ernährungssituation zu verbessern. Bislang sind es aber Fitnesszentren für jede Altersstufe, die wie Pilze aus dem Boden schießen, frei nach dem Motto: "Lieber jemanden zum Schwitzen als zum Essen einladen". (Sigrid Schamall, 16.10.2012)