Was nun von diesem notgebremsten U-Ausschuss bleibt, außer 47 Tonnen an Akten für die Altpapiersammlung: jedenfalls ein schwerwiegendes Sittenbild dieser Republik, das Justiz, Politik wie Wahlvolk noch lange beschäftigen wird.

Denn bevor dieses Gremium seine Arbeit überhaupt aufnehmen konnte, wurde es von den Parteien proporzgemäß mit mehr als einem halben Dutzend Staatsaffären überfrachtet - hauptsächlich, um sicherzustellen, dass die politischen Mitbewerber reichlich angepatzt werden - mit Ausnahme der Grünen, die noch nie die Last einer Regierungsverantwortung getragen haben.

Doch mehr als SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ lieb sein konnte, ging dieses Kalkül prompt auf - und alle standen recht schnell beschmutzt da. Durch stundenlange Befragungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern und Lobbyisten, Mitarbeitern und Beamten konnten bis dahin vielleicht erahnte, aber noch nie so deutlich gewordene Unsitten aufgezeigt werden.

Etwa, wie systematisch Scheinrechnungen für kaum belegbare Leistungen - und womöglich zur Parteienfinanzierung - ausgestellt wurden. Oder wie bei milliardenschweren Verkäufen von Staatseigentum - siehe Fall Buwog - Parteifreunde eines Ministers Millionen an Provisionen für angebliche Beratung mitgeschnitten haben. Bei Vergaben wiederum - Stichwort Tetron - bekam plötzlich wie beim Eurofighter eine andere Firma als der ursprüngliche Bestbieter den Zuschlag - und davon profitierte just wieder ein parteinaher Lobbyist. Zu alledem missbrauchten Regierungsmitglieder staatsnahe Betriebe wie Asfinag, ÖBB und Telekom quasi als Selbstbedienungsläden - für persönliches Wahlkampfsponsoring oder Eigeninserate in Boulevardblättern.

Was davon alles strafrechtlich relevant ist, wird die Justiz jahrelang aufzuarbeiten haben. Was politisch als verwerflich gilt, dürfte mittlerweile selbst den Grassers und Strassers, Gastingers und Faymanns in diesem Land klar sein.

Dieser U-Ausschuss zeigte aber wie kein anderer zuvor auch gnadenlos die Schwächen des schärfsten parlamentarischen Instruments auf: Anders als ein Gericht, das sich nicht an Vorgaben der Politik zu halten braucht, ging einfach gar nichts mehr, als die Inseratenaffäre rund um den Kanzler auf dem Plan stand.

Ab da galt nur noch das Recht des Stärksten, der SPÖ. Mit der ÖVP als Koalitionspartner in Geiselhaft und unter Beifall von FPÖ und BZÖ hebelte sie zunächst die grüne Vorsitzende wegen eines Geschäftsordnungsfehlers aus. Dann stimmten Rot und Schwarz mit ihrer Mehrheit die Ladung des wichtigsten Zeugen, also von Werner Faymann, nieder und erstellten stattdessen Listen mit Auskunftspersonen, von denen alles, nur keine Auskunft zu den noch anstehenden Untersuchungskomplexen - den Staatsbürgerschaftsvergaben und Ostgeschäften der Telekom - zu erwarten war.

All hat das zeigt: Bevor in U-Ausschüssen keine Minderheitenrechte gelten und eine unabhängige Schiedsinstanz über Streitereien wacht, braucht erst gar kein neues Untersuchungsgremium mehr anzutreten - weil die Regierungsparteien sein Ende ohnehin besiegeln, sobald es ihnen zu heikel wird.

Die ärgste Schmach hat sich Faymann allerdings selbst zugefügt. Denn er wird sein feiges Fernbleiben noch sehr lange rechtfertigen müssen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 12.10.2012)