Grafik: Sustala

Bei einer Veranstaltung zu "Contagion", also der Ansteckungsgefahr, von Osteuropa an der westeuropäischen Schuldenkrise hat der Leiter der Bankenanalyse von S&P in Frankfurt, Markus Schmaus, ein interessantes Chart gezückt. Es zeigt das Verschuldungsniveau der privaten Haushalte und Unternehmen und den Reichtum einer Volkswirtschaft, gemessen am BIP pro Kopf (siehe links). Der Zusammenhang ist leicht zu sehen. Reichere Volkswirtschaften sind höher verschuldet. Doch welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Machen wir eine kurze Zeitreise. Wir schreiben das Jahr 2005, als Weltwirtschaftskrise, Bankenpleiten und Staatsbankrotte noch weit, weit weg waren. (Österreichische) Banken und Versicherungen verfügten über komfortable Überschüsse, die es zu investieren galt. Das Chart zu den niedrig verschuldeten, armen osteuropäischen Staaten zeigte dem Management heimischer Institute folgendes: In Osteuropa gibt es ein enormes Potenzial für Finanzprodukte. Denn wenn die Länder bei ihren Einkommen aufholen (gemäß der Konvergenztheorie), werden sie eben auch mehr Finanzprodukte brauchen, also Schulden machen. Die Länder, die sich jetzt noch links unten in der Grafik befinden, werden langsam aber sicher nach rechts oben wandern. Und auf diesem Wachstumspfad könnten die Banken einiges verdienen.

Allerdings schreiben wir heute das Jahr 2012. Die Wirtschaftslage hat sich verändert und so auch die Einstellung zu Schulden. Und die privaten Haushalte haben derzeit keine Lust, neue Schulden zu machen. Angesichts angekündigter (oder umgesetzter) Sparpakete der Staaten schnallen auch sie den Gürtel enger (sofern das geht). Der viel beschworene Entschuldungsprozess hat etwa dazu geführt, dass die Unternehmen in Europa derzeit eine der niedrigsten Schuldenstände (im Verhältnis zum EBIT) aller Zeiten haben. Von einem Faktor von 2,1 sind die Nettoverbindlichkeiten zuletzt auf 1,2 im Vergleich zum operativen Ergebnis gefallen.

Die Hoffnung der Banken, dass sich mit der raschen Anpassung der osteuropäischen Finanzmärkte an die westlichen Vorbilder rasch viel Geld verdienen lässt, ist wohl für die kommenden Jahre verflogen. S&P-Analyst Schmaus: "Derzeit versuchen die Länder eher Schulden abzubauen. Ein rasantes Aufholen wird es wohl nicht geben." Das heiße aber noch nicht, dass die Region unattraktiv ist. Denn im Vergleich zu Westeuropa ist der Druck auf eine Bilanzsanierung in Osteuropa erheblich niedriger, die Möglichkeit zu wachsen daher größer.

Das Japan-Szenario

Wenn man etwa der Analyse von Richard Koo folgt, ein Ökonom bei der japanischen Großbank Nomura und Kenner des Problems der japanischen Wirtschaft, dann könnte der Entschuldungsprozess noch Jahre dauern. Denn die jüngste Krise führt Unternehmen und Konsumenten vor Augen, wie schnell es gehen kann, wenn man zu hoch verschuldet ist. Getreu dem Motto, "nur ein Staat ohne Schulden ist ein souveräner Staat", gelten Schulden als unattraktiv und die Haushalte denken lieber zweimal darüber nach, bevor sie einen Kredit aufnehmen. Stattdessen werden Schulden abgebaut, von Banken, Unternehmen und Privaten.

Wenn das japanische Szenario eintritt, ist die Hoffnung der Finanzbranche auf stetig steigende private Verschuldung als Geschäftsmodell dahin. Dann dürften die Banken in den nächsten zehn Jahren in Westeuropa schrumpfen, und das können sie durch Ostgeschäfte kaum wettmachen.

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