Wien - Nicht nur Lehrlinge holen die Matura nach - es können auch Maturanten zu Lehrlingen werden. Und dabei gibt es unnötig hohe Hürden, findet Christoph Peschek, Lehrlingssprecher der Wiener SP im Gemeinderat. Seit Anfang der 1990er ersetzt etwa eine Matura in einer Handelsakademie nicht mehr eine Lehre als Bürokaufmann, Ähnliches gilt für höhere Lehranstalten im Tourismusbereich. Und ein Absolvent einer Fachschule für Maschinenbau müsse etwa noch dreieinhalb Jahre Lehrzeit absolvieren, wenn er Kraftfahrzeugtechniker werden will - die Firma ist nach den geltenden Gesetzen nicht verpflichtet, die jeweilige Ausbildung anzuerkennen.

Wer nach einem Schulabschluss eine Lehre antreten will, muss den sogenannten Landesberufsausbildungsbeirat kontaktieren; dieser ist sozialpartnerschaftlich besetzt und entscheidet von Fall zu Fall, wie viel von der Ausbildung angerechnet wird. Lehrlingssprecher Peschek plädiert für einen Automatismus, diesen müsste der Wirtschaftsminister erlassen. Denn die derzeitige Regelung führe dazu, dass viele Unternehmen gut ausgebildete Leute zum geringen Lehrlingsgehalt beschäftigen.

Entgangenes Einkommen

Derzeit veranstalten Arbeiterkammer und Gewerkschaften in Wien Info-Abende für die Schulsprecher der Schulen, die von einer Neuregelung profitieren könnten. Dabei rechnen sie auch vor, wie viel Geld den Lehrlingen entgeht, die eigentlich schon eine fertige Berufsausbildung haben. Während etwa ein Bürokaufmann in den ersten drei Lehrjahren auf insgesamt 25.271 Euro Gehalt kommt, sind es in den ersten drei Berufsjahren 66.484 Euro.

Peschek sieht nicht nur ein Problem darin, dass Unternehmen gut ausgebildete junge Leute auf diesem Weg günstig beschäftigen könnten; so entgingen etwa jenen jungen Leuten, die nach einer polytechnischen Schule auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen wollten, auch Lehrstellen. (hei, DER STANDARD, 11.10.2012)