Wien - Minutenlang ist am Anfang zu beobachten, wie die Sonne hinter dem Horizont versinkt. Judith Zdesar reist in ihrem Dokumentarfilm Farben einer langen Nacht an einen buchstäblich düsteren Ort, ins winterliche Grönland, wo höchstens Feuerwerkskörper am Himmel verglühen. Der unvertrauten Umgebung nimmt sich der Film vorsichtig, fragend an: Draußen wird das Dunkel facettenreicher, im Inneren der Häuser gewinnen Menschen Konturen, deren Leben und Verfassung eng mit der Natur in Zusammenhang steht. Wenn die Hunde unruhig werden, könnte ein Eisbär in der Nähe sein. Einsamkeit, Depressionen sind hier weitverbreitet.

Farben einer langen Nacht ist einer von vier Dokumentarfilmen, welche vom Sixpack-Verleih zur kleinen Schau 4 x 2 im Wiener Topkino gebündelt wurden. Es handelt sich um Arbeiten von Autoren, die im besten Sinne unabhängig agieren: Lotte Schreiber, die sich schon in ihren Kurzfilmen mit Architektur beschäftigt hat, stellt in ihrem Langfilmdebüt Tlatelolco die Plaza de las Tres Culturas in Mexiko-Stadt ins Zentrum, einen Ort, an dem mehrfach Geschichte geschrieben wurde. Nahebei steht der riesige Wohnhauskomplex von Mario Pani, der zum Ausgangspunkt einer Gegenwartserkundung wird.

Bernhard Pötscher, sonst meist als Kameramann aktiv, widmet sich in Kleine Perestrojka dem Fotografen Shailo Djekshenbaev, der die Umwälzungen seiner Heimat Kirgisien in Bildern festgehalten hat - dem Film wird die künstlerische Arbeit zum geeigneten Mittel, eine nachhaltigere Perspektive auf die erstarrte Region zu gewinnen. Hinter nur schwer einsehbare Kontexte will auch Behind the Screen blicken, der Arbeitswelten rund um das Endprodukt Computer thematisiert und dabei noch am ehesten jenem Modell eines instruktiven Dokumentarfilms entspricht, der auch regulär ins Kino findet. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 10.10.2012)