Das imposante Feuerwerk am Himmel über Caracas sollte signalisieren, dass Hugo Chávez die Macht weiter fest in der Hand hält - so wie Simón Bolívars Säbel, den er bei der Siegesrede schwang. Gleichzeitig wurde aber klar, dass der autoritär regierende venezolanische Präsident seinen Zenit überschritten und sein bisher schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. Nach 56 Prozent im Jahr 1998 und über 60 Prozent bei den Reformwahlen von 2000 konnte er sich 2006 noch einmal auf 63 Prozent steigern. Die nun 54 erzielten Prozent muss Chávez als Schuss vor den Bug interpretieren.

Dieser Stimmenverlust ist nicht bloß eine Reaktion auf Chávez' unklaren Gesundheitszustand oder gar eine momentane Wählerlaune: Die Venezolaner haben gezeigt, dass sie die Geduld verlieren: 14 Jahre Chavismo brachten zwar ein neues Selbstbewusstsein und fraglos so manche Erleichterung für die Ärmeren, doch das ist nicht genug - nicht in einem Land mit solch großen Ressourcen.

Die Bolivarische Revolution zu beschwören und im westlichen Ausland ausschließlich Feinde zu orten wird nicht mehr lange ein taugliches Mittel bleiben, um die blühende Korruption zu kaschieren und sich an der Macht zu halten. Die Mittelschicht hat sich von Chávez schon abgewandt. Sie ist mit dem Wunsch nach demokratischer Normalität und einer Umsetzung des "brasilianischen Modells" zwar gescheitert - womöglich aber zum letzten Mal. (DER STANDARD, 9.10.2012)