Verschiebebahnhof ÖBB: Die Gütersparte verkauft ihre Wagons und muss künftig Miete zahlen. Kurzfristigen Erlösen stehen langfristige Belastungen gegenüber.

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Wien - Die ÖBB schlägt bei der Sanierung ihrer Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) einen bilanzierungstechnisch kreativen Kurs ein. In der Aufsichtsratssitzung vorige Woche wurde ein Deal abgesegnet, der auf den ersten Blick unspektakulär aussieht: Demnach verkauft RCA tausende Güterwagons an ihre Tochter Industriewaggon GmbH (Iwag). Dies allerdings nicht, um sie über ihre auf Finanzierungen spezialisierte Iwag für immer los zu werden, sondern um die für ihr operatives Geschäft notwendigen Güterwagen wieder zurück zu mieten.

Grund des konzerninternen Sale-and-Lease-back-Geschäfts: Die Beschaffung von Wagenmaterial soll konzernweit in einer Hand gebündelt und so die Auslastung erhöht werden. Das gilt in der Branche angesichts des rückläufigen Transportaufkommens als vernünftiger Schritt. Ob sich die mangels Güteraufkommens überzähligen Güterwagen am freien Markt tatsächlich besser und effizienter auslasten lassen, ist freilich fraglich.

Einen positiven Nebeneffekt hat der Deal mit bis zu 15.000 Güterwagen, von denen zunächst 4000 in die Iwag verschoben werden: Die an akuter Eigenmittelschwäche leidende RCA-Österreich-Gesellschaft RCA AG bekommt mit dem Erlös frisches Geld - zwar nicht die ersehnte Kapitalerhöhung, aber immerhin neue Eigenmittel. Sie sollen die laut Einzelabschluss (UGB) mit knapp über acht Prozent recht dünne Eigenkapitaldecke auf 14 Prozent aufdoppeln. Die ist nicht zu verwechseln mit dem Konzernabschluss nach IFRS, laut dem die Eigenkapitalquote des ÖBB-Konzerns deutlich höher ist.

Richtig gemütlich ist der Eigenkapitalpolster der für den Schienengüterverkehr in Österreich zuständigen RCA AG auch nach dieser Transaktion nicht. Denn der Verkaufserlös, den die Iwag zahlt, muss "fremdüblich" sein, also nicht höher als bei einem Verkauf an konzernfremde Dritte (sonst wäre es eine verdeckte Einlagenrückgewähr und unzulässig). Auch müssen RCA AG und ihre ungarische Schwester RCH künftig mit höheren Wagenmieten rechnen, schließlich muss Iwag den Kaufpreis ja finanzieren.

Was bringt RCA dieser Deal also? "Im Prinzip kauft sich der ÖBB-Güterverkehr Zeit", sagt ein mit der Materie vertrauter Wirtschaftsprüfer. Die dürfte sie auch brauchen. Denn die kommenden Einschnitte sorgen bereits für Irritationen. Es bahnt sich eine weitere Redimensionierung des Inlandsschienenverkehrs an samt Auflassung von Bahnhöfen beziehungsweise Bedienstellen.

Im Anrollen soll auch der Verkauf der Kontraktlogistik sein. Das defizitäre Stückgut-Geschäft (früher Bahn-Express) soll an einen österreichischen Transportunternehmer gehen mit russischen Partnern im Hintergrund. All das wurde in der in der Aufsichtsratssitzung vorige Woche nur peripher behandelt, wie ein Sitzungsteilnehmer sagt. Für Stoff für die außerordentliche Aufsichtsratssitzung am 30. Oktober ist also gesorgt. (ung, DER STANDARD, 9.10.2012)