"Mein Vertrauen in die Justiz ist mittlerweile stärker als in den U-Ausschuss. Allein schon weil die politische Hauptfigur, der Kanzler, nicht geladen wurde."

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STANDARD: Alles scheint sich einig: Kärnten ist ein Sumpf - doch wie tief steckt auch das restliche Land in Korruption fest?

Fiedler: Symbolisch gesprochen würde ich sagen: Bis zu den Knien - und es liegt an uns selbst, uns aus dieser Situation herauszustrampeln. Auffallend ist aber, dass nun wesentlich mehr Korruptionsfälle aufgedeckt werden als früher. Bisher wurden wir auch gerügt, dass wir im internationalen Vergleich zu wenig Verurteilungen haben. Wir sind also in einem Stadium, das mich doch mit Hoffnung erfüllt: Wir arbeiten auf - und die Ergebnisse, die zutage treten, können beitragen, dass nicht mehr so viele korrupte Handlungen gesetzt werden.

STANDARD: Kann es je gelingen, alles trockenzulegen? Der Birnbacher-Prozess und die Anklage gegen drei Ex-Telekom-Vorstände wegen Kursmanipulation zeigen ja, dass es offenbar Beteiligte braucht, die auspacken, damit die Justiz vorankommt.

Fiedler: Ganz trockenlegen kann man Korruptionssümpfe nie - weder in Österreich noch sonst wo. Mit den Geständnissen von Steuerberater Dietrich Birnbacher und dem Ex-Telekom-Manager Gernot Schieszler ist jedoch etwas Bedeutsames in Gang gesetzt worden. Denn ein Korruptionsdelikt ist ja nicht so leicht aufzuklären, weil es ein sogenanntes Delikt der Doppeltäterschaft ist. Das bedeutet: Einer ist daran beteiligt, der gibt, und einer, der nimmt. Wenn jemand davon weiß, dann ist er in der Regel Mitbeteiligter. Objektive Zeugen, wie bei einem Verkehrsunfall oder einem Raubüberfall, gibt es hier aber nicht. Und daher ist es auch so schwierig, die Symbiose von Bestecher und Bestochenem aufzubrechen. Hier sollte man goldene Brücken bauen - was mit der im Vorjahr eingeführten großen Kronzeugenregelung ja geschehen ist.

STANDARD: Birnbacher, der im Zuge des Hypo-Deals ein sechs Millionen Euro hohes Honorar kassiert hat, das teilweise als Parteienfinanzierung gedacht war, beruft nun gegen sein Urteil, weil er das Strafausmaß als Geständiger für zu hoch erachtet - ein abschreckendes Beispiel für jene, die vielleicht auch reden wollen?

Fiedler: Möglicherweise werden Birnbachers drei Jahre teilbedingte Haft vom obersten Gerichtshof noch abgeschwächt. Die große Kronzeugenregelung kann Birnbacher aber nicht in Anspruch nehmen, weil sein Geständnis zu spät kam. Für jemanden, der in ein Korruptionsdelikt verwickelt ist, könnte das aber auch ein Anreiz sein, jetzt früher auszupacken.

STANDARD:Die fünfeinhalb Jahre unbedingte Haft für Kärntens Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz - wenn auch noch nicht rechtskräftig - nannten Sie einen " Paukenschlag". Sind Justiz und Politik jetzt endlich wachgerüttelt?

Fiedler: Ja, denn das Strafausmaß gegen Martinz könnte für die Justiz künftig als Orientierung dienen, sofern das auch die anderen Instanzen als angemessen erachten, also wenn das Urteil rechtskräftig wird - was hoffentlich nur Monate und nicht Jahre dauert.

STANDARD: Das Birnacher-Verfahren wurde ja zuerst bei Vorliegen desselben Sachverhalts eingestellt. Im Nachhinein gesehen peinlich?

Fiedler: Für die Justiz ist das sicher kein Ruhmesblatt - das sage ich als ehemaliger Richter und Staatsanwalt. Erst über weitere Aufforderung und über Drängen der Korruptionsstaatsanwaltschaft hat man da nachgebohrt. Aber auch die Politiker werden sich das eine oder andere zu überlegen haben.

STANDARD: Was genau?

Fiedler: Die fünfeinhalb Jahre für Martinz sind für Politiker, die künftig in Versuchung geführt werden sollten, ein Schuss vor den Bug. Für jene, die schon etwas angestellt haben, könnte auch die Überlegung Platz greifen, ob man nicht von der großen Kronzeugenregelung Gebrauch machen will. Und für diejenigen, die schon in Strafverfahren verwickelt sind, sollte die Überlegung dahin gehen, ob man sich nicht eine Birnbacher-Position erwerben will, denn: Zwischen drei Jahren teilbedingt und fünfeinhalb Jahren unbedingt liegen schon Welten.

STANDARD: Mit der Inseratenaffäre ist von SPÖ und ÖVP das Ende des U-Ausschusses besiegelt worden. Besteht akute Vertuschungsgefahr - oder wird ohnehin die Justiz alles aufarbeiten?

Fiedler: Mein Vertrauen in die Justiz ist mittlerweile stärker als in den U-Ausschuss. Allein schon weil die politische Hauptfigur, der Kanzler, nicht geladen wurde. Die Entscheidung, Werner Faymann zur Inseratenaffäre nicht zu laden, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich erwartet haben, dass der Ausschuss bis zum Schluss seriös arbeitet. Die Justiz wird sich an keine Vorgaben der Politik halten.

STANDARD: Zuletzt haben sich immer mehr Zeugen entschlagen, weil gegen sie ein Verfahren läuft.

Fiedler: Das braucht man nicht überdramatisieren. Man muss in Kauf nehmen, dass immer Entschlagungen stattfinden, wenn parallel zum U-Ausschuss Strafverfahren laufen. Staatssekretär Josef Ostermayer hat jedenfalls in vorbildlicher Weise vorexerziert, dass es auch anders geht, er hätte sich auch entschlagen können.

STANDARD:Ihre Bilanz: Kam der U-Ausschuss der Justiz mehrfach in die Quere - oder ergänzte sich die Arbeit?

Fiedler: Ich habe den Eindruck, dass es noch nie so gut in der Abstimmung zwischen Justiz und U-Ausschuss wie diesmal funktioniert hat. Man hat sich mit der Justiz vonseiten des Parlaments ins Einvernehmen gesetzt, wie gehen wir vor, damit wir uns nicht in die Quere kommen. Das hat funktioniert. Das ist für mich ein Zeichen, dass auch viel gelingen kann, wenn man guten Willens ist. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 8.10.2012)