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Zwillinge im Raster: Designer Marc Jacobs schickte für seine Schau für Louis Vuitton die Models in Pärchenformation über den Laufsteg.

Foto: AP/Jacques Brinon

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Hedi Slimanes erste Kollektion für Saint Laurent...

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

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... Riccardo Tiscis Entwürfe für Givenchy.

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Was für eine Saison! Lange hat Paris nicht so eine Modewoche erlebt wie die soeben zu Ende gegangenen Prêt-à-porter-Schauen für Frühjahr/Sommer 2013: ein Stakkato von Aufgeregtheiten. Da war natürlich zuerst das " Duell" Saint Laurent gegen Dior mit den heiß erwarteten Debütschauen von Hedi Slimane auf der einen und Raf Simons auf der anderen Seite - beide Jahrgang 1968 und fast kultisch verehrt.

Dann gab es den "Netz-Krieg" zwischen Slimane und Cathy Horyn. Die Kritikerin der New York Times war bei Saint Laurent nicht eingeladen worden. Nachdem sie sich in ihrem Blog beschwert hatte, bezeichnete Slimane sie in einem Twitter-Eintrag als Schulhof-Rowdy und belegte sie mit dem Bann: "She will never get a seat at Saint Laurent".

Hinzu kamen aufsehenerregende Nachrichten wie die plötzliche Absage der Schau des Modemachers Hakaan. Grund: Die Kleider waren seinem Transportunternehmen abhandengekommen. Beeindruckende Jubiläen standen an wie das 90-jährige Bestehen des Schweizer Modehauses Akris und das 60-jährige von Chloé. Chanel stellte 13 Windkrafträder auf einen Laufsteg aus Solarzellen, Louis Vuitton errichtete elektrische Rolltreppen, und Jean Paul Gaultier wartete mit der einstigen Disco-Queen Amanda Lear auf dem Runway auf. Was will man mehr?

Nebenkriegsschauplätze

Vielleicht einfach Notizen von der Mode. Die eigentliche Hauptperson der Schauen drohte zur Statistin zu verkommen bei allen " Nebenkriegsschauplätzen" und Anekdoten am Rande. (Nur zwei seien erwähnt: Bei der Saint-Laurent-Schau wurde eine Chefredakteurin aus Höflichkeit nicht eingeladen. Man hätte ihr nur einen Stehplatz anbieten können, was sich natürlich nicht gehört. In dieselbe Schau musste ein bekannter, ebenfalls nicht geladener Modekritiker sich durch das Gebüsch vor dem Grand Palais anschleichen - er schaffte es hinein).

Dabei entpuppten sich die Entwürfe als zum Teil so großartig wie lange nicht. In ihnen schien tatsächlich ein neues Frauenbild auf. Endlich! Seit dem umwälzenden Debüt Phoebe Philos bei Céline im Oktober 2009 haben sich die zukunftsweisenden Designer in ihrer Vision von weiblicher Mode aufgespalten: Da gibt es die Puristen à la Philo mit schönen, funktionalen, doch irgendwie geschlechtsneutralen Entwürfen. Kleider für die selbstbewusste, zwischen Job und Kindern jonglierende moderne Frau. Daneben hat sich eine zarte Romantik à la Valentino und Giambattista Valli etabliert - bezaubernd, doch eigentlich nur für junge Müßiggängerinnen geeignet. Und es trat noch eine dritte Vorstellung von Frau auf den Plan: das Vollweib in Form des Glitzy Rock Chick. Balmain etwa bedient diese Kundin.

Paris verschmolz in seinen gelungensten Kollektionen die drei zu einer wunderbaren Symbiose. Souverän, soft und sexy zugleich trat die neue Frau auf den Plan, in handwerklich tadellosen Entwürfen.

Starker Beginn

Nicolas Ghesquière für Balenciaga und Raf Simons für Dior schlugen mit ihren Schauen schon relativ zu Anfang den Ton an. Ghesquière kombinierte kastige Formen mit Rüschen, Spitze und viel Haut und präsentierte eine moderne Version des Tweedkostüms à la Chanel.

Simons setzte auf eine ausbalancierte Mischung aus femininen Formen, Maskulinem und verspieltem Sex-Appeal, wobei er augenzwinkernd auf die Libertinage der späten 1960er-Jahre zurückgriff. Einige Entwürfe mit schwarzen Tops und spacigen Organza-Röcken in Bonbonfarben erinnerten an Roger Vadims poppig-erotische Weltraumsaga Barbarella. Ansonsten herrschte Klarheit: Die Mantelkleider und Hosenanzüge, mit denen der Belgier Diors "Bar" -Kostüm von 1947 in die Zukunft katapultierte, waren umwerfend gut gemacht.

Givenchys Weiblichkeit

Riccardo Tisci inszenierte in seiner Schau für Givenchy ähnlich anziehende Weiblichkeit. Klar, sanft und konzentriert traten seine schmalen Hosen und Röcke, die fließenden Oberteile, gerafften Kleider und semitransparenten Blusen in Schwarz, Weiß und Himmelblau auf den Laufsteg. Albert Kriemler verband bei Akris die geschwungene Formensprache des Gartenarchitekten Roberto Burle Marx (1909-1994) mit Raffinesse. Schmale schwarze Lederhosen waren genauso in der Kollektion zu finden wie verführerische Kleider in Stickereitüll oder weiche Wildlederteile.

Eine ähnliche Selbstverständlichkeit vermittelte Stella McCartney. Das schmale bewegliche Schlauchkleid mit einer leuchtend-orangefarbenen Kreisform als Muster, der weiße Organza-Blouson, die lockere Hose und der schulterfreie schwarze Spitzendress strahlten eine herrliche Unaufgeregtheit aus, die an keiner Stelle in Langeweile kippte.

Und Hedi? Auch wenn er ein paar mediale Ohrfeigen einstecken musste, brachte er das neue Frauenbild auf den Punkt. Die auf der Hüfte sitzenden Zigarettenhosen, die breitkrempigen Hüte oder die kurzen, an elegant wirkenden Schulterpartien aufgehängten Jacken in seiner Schau wirkten einfach stark. Daran konnten auch einige seltsame Muster nicht rütteln, die an Frisierumhänge erinnerten.

Wie die zuvor genannten strahlt auch die Saint-Laurent-Schau einen souveränen Sex-Appeal aus, der Frauen weder zum Weibchen noch zum Wolf macht. Das ist die bei weitem beste Botschaft der Pariser Schauen. (Stefanie Schütte, DER STANDARD, 6.10.2012)