Alles begann bei einer "kleineren" Radtour in Kanada und Alaska: Die Grazer Philipp (39) und Valeska Schaudy (34) waren mit Rädern und Kanu unterwegs und hantelten sich von Straße zu Straße beziehungsweise von Fluss zu Fluss. Dabei gebaren sie die Idee, das nächste Mal "open end" unterwegs zu sein und auf diese Art die ganze Welt zu erkunden. Eine mehrjährige Radreise durch alle Kontinente sollte es werden.

Nach langen Vorbereitungen, mehreren Arktis-Expeditionen und mit den nötigen Ersparnissen ausgestattet, begann die ambitionierte Tour am 9. Oktober 2006. Die erste große Etappe führte vom europäischen Nordkap bis zur Südspitze Afrikas. Direkt im Anschluss, zwischen Jänner und Dezember 2008, umrundete das Paar Australien, danach radelten die beiden bis Mai 2009 durch Indien und Nepal.

Ein Highlight war schließlich die Durchquerung Amerikas von Nord nach Süd, von Alaska bis Feuerland. Nach einem Abstecher nach Neuseeland, Ost- und Südostasien durchquerten sie im Winter 2011/12 die USA von West nach Ost. Im März 2012 begann die Rückfahrt von Portugal nach Graz, wo sie am 20. Mai feierlich auf dem Hauptplatz empfangen wurden.

Wichtige Motivation

Das Wichtigste für die beiden Geografen war, alles aus eigener Kraft zu schaffen: "Das Umsteigen auf ein anders Verkehrsmittel gab es in unseren Köpfen nicht, und das haben wir auch nie getan. Auch wenn Streckenabschnitte extrem kräfteraubend und zum Verzweifeln waren - zum Beispiel Pistenstrecken durch die Sahara und im Norden Kenias -, war für uns klar, dass wir da selbst durchkommen müssen." Nur zwischen den Kontinenten reisten sie per Flugzeug. Eine wichtige Motivation für die beiden waren die "klassischen" Kontinentdurchquerungen: "Von Alaska nach Feuerland zu radeln ist  motivationsmäßig etwas ganz anderes als eine Radtour nur durch Patagonien. Wir haben uns immer sehr große Ziele gesteckt und diese mit viel Willenskraft bis zum Erreichen verfolgt."

Ausgerüstet waren Philipp und Valeska meist nur mit dem Allernötigsten: ein Erste-Hilfe-Kasten, einige Ersatzteile und Werkzeug, Campingausrüstung, Essen und Trinken, Kleidung. Letztere hat, je nach Abschnitt, stark variiert: In Afrika und Australien, wo es ständig trocken und heiß war, konnten sie leicht bepackt reisen, wohingegen sie von Alaska bis Feuerland fast nur in kühlen Regionen unterwegs waren und dementsprechend mehr Gepäck mitschleppen mussten.

Aktive Couchsurfer

Weil beide sehr gerne zelten, haben sie so oft wie möglich campiert. Nur in wenigen Ländern wie Indien und Äthiopien sei das schwierig gewesen, weil es aufgrund der dichten Besiedlung kaum einen sicheren Platz zum Zeltaufstellen gab. In Teilen von Mittel- und Südamerika war es zu gefährlich, weshalb Philipp und Valeska dort auf günstige Bleiben zurückgriffen.

Auch über die Couchsurfing-Community und direkt von der Straße weg fanden sie Leute, die ihnen Schlafgelegenheiten anboten: "Der Kontakt zur Bevölkerung wurde für uns immer mehr zu einem Hauptinhalt des Reisens. Sehenswürdigkeiten wurden für uns zweitrangig. Wir sehen uns selbst als Reisende und nur im entferntesten Sinne als Touristen."

Überwiegend positive Erfahrungen

Gröbere Pannen gab es auf der 87.020 Kilometer langen Strecke kaum. Nur einmal, im Nordwesten Australiens, mussten die beiden mehrere Tage lang auf ein Ersatzteil warten. Ansonsten konnten sie immer alles während der Fahrt zurechtbiegen oder, zumindest provisorisch, bis zur nächsten Werkstatt reparieren. Auch negative Erlebnisse gab es kaum, außer in Äthiopien: Hier wurden sie des Öfteren von einer Menschenmenge umringt - aber auch mit Steinen beworfen. "Meist hat es aber in solchen Fällen geholfen, einfach stehen zu bleiben, zu grüßen und zu lächeln", erzählen die Weltreisenden.

Insgesamt überwogen die positiven Erinnerungen: "Von der Gastfreundschaft der Menschen müssen wir vor allem die Türken, Südafrikaner, Argentinier, Kolumbianer, Australier, Sudanesen sowie die US-Amerikaner erwähnen. Oft sind wir eingeladen worden und die Menschen sind uns sehr offen begegnet. Mit dem Rad ist man so langsam unterwegs, dass man Länder und Kontinente ganz anders wahrnimmt beziehungsweise aufnimmt", erzählen Philipp und Valeska.

Spannende Geschichten

"Man ist näher dran und oft mittendrin im Geschehen, keine Autoglasscheibe schirmt einen ab. Wir durften erfahren, dass die Menschen auf der ganzen Welt freundlich sind, ganz egal welche Hautfarbe sie haben und welcher Religion sie angehören."

Diese Kernaussage und die Erfahrungen von mehr als fünf Jahren "on the road" wollen Philipp und Valeska in einem Buch und einem Multimediavortrag vermitteln, mit dem sie ab Herbst 2013 durch Österreich unterwegs sein werden. Spannende Geschichten und Fotos von der einzigartigen Reise findet man schon jetzt auf ihrer Website.

Aus dem Reise-Tagebuch der Schaudys: "Start am Nordkap am 9. Oktober 2006. Etwas zu spät im Jahr. Wir sind bis auf einen einsamen Franzosen im Kleinwagen die einzigen Touristen. Es verfolgen uns Schnee, Kälte bis -20 Grad (Finnland) und Regen bis ans Mittelmeer."

Foto: Philipp Schaudy

"Israel ist nach dem konservativen Osten der Türkei und vor allem Syrien eine richtige Erholung. In der unglaublich schönen Landschaft des Landes finden wir immer tolle Plätze zum Zelten in der Wüste."

Foto: Philipp Schaudy

"Die Menschen im Sudan haben wir als extrem freundlich empfunden. Ganz typisch hat man uns, wie auf dem Bild, zugejubelt, uns aber ebenso entspannen lassen, wenn wir wo pausiert haben."

Foto: Philipp Schaudy

"Einer der härtesten Streckenabschnitte ist die 450 Kilometer lange Sandpiste durch die Sahara im Norden des Sudan (Wadi Halfa nach Dongola). Wir benötigen acht lange und strapazenreiche Tage. Viel Schieben und Zerren der Räder und mörderische Hitze mit über 50 Grad."

Foto: Philipp Schaudy

"Auf derselben Piste kommen wir fast jeden Tag durch ein Dorf. Das Volk der Nubier wohnt in dieser menschenfeindlichen Gegend. Die extrem armen Leute sind uns gegenüber ungemein gastfreundlich und wir werden in ihre hübschen Häuser eingeladen. Drinnen sind die Häuser leer, es gibt nur Eisenbetten - das ist die einzige Einrichtung, die wir sehen."

Foto: Philipp Schaudy

"Ein typischer Stopp auf einer sandigen Piste im Norden Kenias. Wo auch immer wir hinkommen, sind wir Exoten."

Foto: Philipp Schaudy

"In Namibia finden wir neben der Straße ein abgefallenes Lkw-Schild. Eigentlich heißt es "Abnormal Load", also Übergröße. Dieses Bild wird irgendwie zu unserem Logo, da wir mit unserer Reise etwas tun, was für viele nicht "normal" ist ..."

Foto: Philipp Schaudy

"Bei den Pinnacles im Westen Australiens. Interessante Erosionsformen in der Wüste. Australien ist ein sehr kräfteraubender Kontinent mit ewigen Distanzen, Hitze, Gegenwind und Fliegen. Wir benötigen acht Monate für unsere Umrundung."

Foto: Philipp Schaudy

"Australien ist ein klassisches Campingland. Fast überall finden wir gute Plätze, um unser Lager aufzuschlagen und weit weg von jeglicher Zivilisation im Busch zu übernachten."

Foto: Philipp Schaudy

"In Indien fährt alles und jeder, wie er will, und überall kreuz und quer. Es gibt wohl kein anderes Land, in dem wir uns so auf den Verkehr konzentrieren mussten."

Foto: Philipp Schaudy

"In Indien ist der Verkehr nicht nur motorisiert, neben Fußgängern, Rad- und Rikschafahrern sind auch Elefanten unterwegs."

Foto: Philipp Schaudy

"In Anchorage, Alaska, starten wir am 6. Mai 2009 unsere Fahrt nach Feuerland. Durch ganz Alaska und Kanada haben wir meist herrliches Wetter und genießen die Wildnis."

Foto: Philipp Schaudy

"In Kalifornien waren wir bei Arnold Schwarzenegger in Sacramento geladen. Nachdem man uns durch das ganze Kapitol geführt hatte, trafen wir Arnold zu einem Pläuschchen. Dann strampelten wir weiter, der Westküste entlang in Richtung Mexiko."

Foto: Philipp Schaudy

"In Südamerika fahren wir meist auf einer Höhe von 3.000 bis 4.000 Metern durch die Anden. Im Bild sind wir in der Cordillera Blanca, einem wunderschönen, einsamen Gebirgszug."

Foto: Philipp Schaudy

"Mit dem Rad über den Salar de Uyuni, den weltgrößten Salzsee, zu radeln war eine 'Pflichtstrecke' für uns und stand schon lange ganz weit oben auf unserer persönlichen Radreiseliste. Die Pisten von der Hauptstadt La Paz zum Salzsee und in der Folge weiter nach Argentinien haben es in sich: Sie sind lang, einsam, staubig und landschaftlich schön."

Foto: Philipp Schaudy

"Der Salzsee ist natürlich das Highlight. Eine ewige weiße Fläche, über die wir eineinhalb Tage radeln, um wieder an eine Piste zu gelangen. Die Perspektiven und das Nicht-einschätzen-Können von Distanzen sind faszinierend und regen an, beim Fotografieren zu spielen."

Foto: Philipp Schaudy

"Eine typisch bolivianische Piste durch das Nirgendwo. Es ist staubig, hügelig, und die Distanzen sind enorm."

Foto: Philipp Schaudy

"Im Süden Chiles endet die lange Schotterpiste Careterra Austral im Dorf Villa O'Higgins. Für Autos ist hier Endstation. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad kann man jedoch auf ein kleines Ausflugsboot hopsen und sich auf der anderen Seite des Lago O'Higgins aussetzen lassen. Dort führt ein übler Wanderweg, teils steil, teils matschig, teils überwuchert, über einen Pass nach Argentinien, wo man mit einem weiteren kleinen Boot über einen Fluss wieder zu einer Schotterstraße kommt. Ab da geht's wieder per Fahrrad weiter. Wir benötigen für das Zerren, Stoßen, Wuchten und Schieben der Räder über den Pass eineinhalb Tage. Sehr anstrengend, aber wir haben auch unglaublichen Spaß."

Foto: Philipp Schaudy

"Patagonien ist gleich Wind. Nirgends auf der Welt hatten wir so starke Winde wie hier, beziehungsweise nirgends sonst sind die Winde so hartnäckig und permanent. Manchmal von hinten, und wir fliegen nur so dahin. Haben wir Pech, kommt der Wind von vorne und wir treten am Fleck. In der Pampa gibt es kaum Schutz vor den Stürmen - nicht nur das Radfahren ist oft ein Problem, da wir nicht vorankamen oder von der Straße geblasen wurden, sondern auch das Zelten."

Foto: Philipp Schaudy

"In China sind wir Langnasen ständig die Attraktion. Alle wollen Fotos mit uns - und wir mit ihnen ;-)"

Foto: Philipp Schaudy

"Unterwegs durch Vietnam. Ganz Südostasien ist sehr freundlich zu uns."

Foto: Philipp Schaudy

"Als wir Hanoi erreichen, erleben wir erstmals viel Verkehr in Vietnam. Alles fährt kreuz und quer, aber verglichen mit zum Beispiel Indien ist durchaus System im Chaos zu erkennen."

Foto: Philipp Schaudy

"Von Ende Dezember 2011 bis Mitte März 2012 radeln wir von West nach Ost durch die USA. Vor allem in den Gebirgen des Westens ist es sehr kalt, der Schnee liegt uns im Nacken und holt uns manchmal - wie im Bild in Texas - ein."

Foto: Philipp Schaudy

"Am 20. Mai 2012 radeln wir in Graz ein. An unserem letzten Radtag begleiteten uns über 50 Mitradler, und über hundert 'Fans' begrüßen uns am Hauptplatz. Danach gibt es einen Empfang im Rathaus und abends eine Willkommensparty."

Nach einer weiteren zweimonatigen Reise als Expeditionsleiter nach Grönland und Spitzbergen - ohne Fahrrad - sind Philipp und Valeska nun endlich wieder länger zu Hause. "Wieder zurück in Graz ist es ein seltsames Gefühl, nicht gleich wieder auf die Räder zu steigen und irgendwohin weiterzufahren", schreiben sie auf ihrer Website. In der Zwischenzeit wollen sich die beiden für die Grazer Radlobby engagieren, und die nächste Reise kommt bestimmt. (Florian Bayer, derStandard.at, 29.10.2012)

Foto: Philipp Schaudy