Wer in Deutschland einen Buben beschneidet, begeht Körperverletzung und macht sich strafbar. Dies hat das Landgericht Köln Ende Juni in einem Urteil festgelegt. Der Richterspruch wird seither nicht nur kontrovers diskutiert, er brachte auch die Politik in Zugzwang. Denn ohne gesetzliche Regelung kann es keine legalen Beschneidungen mehr geben.

Beschluss am Mittwoch

Im Bundestag war man sich daher schnell einig, dass dieses für Juden und Muslime traditionelle Ritual ermöglicht werden soll. Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der bereits am nächsten Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll.

Dieser besagt, dass Beschneidungen ab Inkrafttreten des Gesetzes erlaubt sein werden. Allerdings sind dafür Auflagen zu erfüllen. Zunächst müssen die Eltern des Kindes über Risiken und Folgen einer Beschneidung aufgeklärt werden, sie müssen auch ihre Einwilligung geben. Wenn sie dem Eingriff zustimmen, darf die Beschneidung stattfinden, "wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird".

Wer das Ritual vornimmt, muss eine ärztliche oder "der ärztlichen Befähigung vergleichbare Ausbildung" vorweisen. So wird auch von einer Religionsgemeinschaft vorgesehenen Personen die Beschneidung gestattet - allerdings nur in den ersten sechs Lebensmonaten des Buben.

Im Begleittext des Gesetzes ist ausdrücklich festgehalten, dass "eine im Einzelfall angemessene und wirkungsvolle Betäubung" gewährleistet werden müsse.

Schmerzfreiheit

Auf diesen relativ spät eingefügten Passus hatte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gedrängt. "Ich bin sehr froh über die Klarstellungen zur Schmerzfreiheit. Ohne die jetzt neu aufgenommene ausdrückliche Erwähnung einer angemessenen und wirkungsvollen Betäubung im Gesetzentwurf hätte ich nicht zustimmen können", sagt sie.

Generell werden die Regelungen zur Beschneidung übrigens nicht im Strafrecht geregelt, sondern im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) über das Recht der elterlichen Sorge. Dort wird der neue Paragraf 1631d eingefügt. Die Eltern werden ausdrücklich aufgefordert, das Kind - falls es schon älter ist - in die Entscheidungsfindung "einzubeziehen". Sie werden "gehalten", sich mit dem Kindeswillen auseinanderzusetzen.

Zufrieden mit dem Gesetzesentwurf ist der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann: "Wir sind froh, dass jüdische Gebote und damit jüdisches Leben nicht in die Illegalität gedrängt werden." Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland begrüßt den Kompromiss.

Die Deutsche Kinderhilfe hingegen spricht von einem "Hauruck-Verfahren" zur Legalisierung von Beschneidungen, das "mehr Probleme bereitet, als löst". (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 5.10.2012)