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Schon wieder nicht zur Firmenfeier eingeladen, Gekichere hinter vorgehaltener Hand, die Verbreitung von Gerüchten hinter dem eigenen Rücken, und schon wieder mit Aufgaben zugemüllt, die kränkend sind, einfach unter der eigenen Würde.

Mobbing, das ist Psychoterror am Arbeitsplatz. Und egal, wie es daherkommt, ob als "Bossing" (Psychoterror ausgehend vom Chef), als "Staffing" (Psychoterror ausgehend vom Untergebenen zum Chef) oder als "Bulling" (Psychoterror unter Schülern), es erzeugt vor allem eines: großes Leid beim Betroffenen und damit auch schwerwiegende Konsequenzen für Unternehmen. Umso erschreckender daher die Zahlen, die ausweisen, dass Österreich im europäischen Schnitt zur sehr blamablen Mobbing-Spitze gehört.

Laut aktuellsten Ergebnissen der Working Condition Survey (EWCS) aus dem Jahr 2010 liegt die Mobbingrate in Österreich mit 7,2 Prozent drastisch über jener der Europäischen Union (4,1 Prozent). Und noch schlimmer: Während die Mobbingrate EU-weit von 2005 bis 2010 laut Bericht um rund ein Prozent sanken, stieg sie in Österreich im selben Zeitraum von fünf auf mehr als sieben Prozent an. Besonders stark angestiegen sei dabei die Mobbingrate unter den sogenannten 50plus - von 3,8 Prozent (2005) auf 8,6 Prozent (2010). Der Blick auf die Geschlechterverteilung zeigt zudem, dass Frauen (von rund fünf Prozent im Jahr 2005 auf fast acht Prozent im Jahr 2010) mehr von Mobbing betroffen sind als Männer (von knapp fünf Prozent auf 6,6 Prozent).

Nicht jede Schikane, nicht jeder Konflikt oder unangenehme Situation am Arbeitsplatz aber ist gleich Mobbing. Experten nennen vier Aspekte der Mobbingdefinition:

  • Häufigkeit: Schikanen finden mindestens einmal pro Woche statt,
  • Dauer: der Psychoterror dauert länger als vier Monate,
  • Systematik: die Handlungen gegen das Opfer sind zielgerichtet, geplant und sicher nicht zufällig,
  • Machtstrukturen: Oft sind es ungleiche Machtstrukturen, die vor allem bei den Mobbingbetroffenen den Handlungsspielraum verringern, sie in die sprichwörtliche Ecke treiben.

Petra Smuty, Richterin und Buchautorin, erklärt: "Diese Personen agieren in einer schwierigen Position, befinden sich unter hohem Druck und haben wenig Spielraum und Entscheidungsfreiheit." Hoher Stressfaktor, viel Verantwortung und wenig Mitbestimmung seien als die strukturellen Voraussetzungen für ein mögliches Mobbinggeschehen zu nennen, aber auch die Zahl der in einem Betrieb arbeitenden Personen gilt als Faktor. Ab 125 Mitarbeitern gibt es Zwischenebenen, es wird delegiert - und auch weniger Verantwortung für Betroffene übernommen. So sind die oftmals auftretende Hilflosigkeit und das Bagatellisieren von Vorfällen durch die Vorgesetzten zu erklären, die im Falle von Mobbing oft überfordert sind.

Schaden für Leib und Seele

Die Auswirkungen sind breit gefächert: Der Schaden der Betroffenen an Leib und Seele ist ebenso wie der gesamtwirtschaftliche groß. Opfer berichten von Übelkeit und Schweißausbrüchen oder Herz-Kreislauf-Problemen, Konzentrations- und Schlafstörungen, Gereiztheit bis hin zu Depressionen und Selbstmordgedanken. Die betrieblichen Folgen sind neben der Störung des Arbeitsklimas wirtschaftlicher Natur und richten hohen finanziellen Schaden an: beginnend bei vermehrt auftretenden Krankenständen; der gestohlenen Arbeitszeit, denn für Mobbing werden viele Stunden aufgewendet; durch die belastende Arbeitssituation kann es zu Leistungsabfall, Fehleranfälligkeit in der Arbeit und zu Mehrkosten bei Neueinschulungen nach einer Kündigung kommen. Auch Sachbeschädigung am Arbeitsplatz, die dem Gemobbten angelastet wird, ist keine Seltenheit.

Lange Fehlzeiten

Die Arbeiterkammer (AK) weist auf die Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria (2009) hin: 44 Prozent der Betroffenen kehren erst einen Monat nach den Vorfällen und noch später an den Arbeitsplatz zurück. Rund drei Prozent kehren überhaupt nicht mehr zurück. Rund 23 Prozent bleiben ihrem Arbeitsplatz mindestens zwei bis vier Wochen fern, der Rest zwischen drei und 13 Tagen. Laut Fehlzeitenreport 2011 wurden 2010 österreichweit 2,6 Millionen Krankenstandstage durch "psychische Erkrankungen" verursacht. Durchschnittlich sind Arbeitnehmer knapp elf Tage im Jahr krank, bei psychischer Krankheit liegt dieser Schnitt mit 36 Tagen deutlich darüber.

Körperverletzung

Das Ausmaß des wirtschaftlichen Verlustes ist jedenfalls enorm und Vergehen wie Verleumdung strafrechtlicher Tatbestand. Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass durch Mobbing hervorgerufene gesundheitliche Beeinträchtigungen als Körperverletzung zu werten sind. Viele Opfer sind sich dessen nicht bewusst, sagt Konflikt- und Mobbingberaterin Christina Kolodej: "Mir selbst ist eine betriebsinterne Untersuchung eines österreichischen Unternehmens zum Thema Mobbing bekannt, in der die Menschen zwar angeben, gemobbt zu werden, jedoch mitteilen, dass sie sich weder an interne noch an externe Organisationen gewandt haben. Oft sind die Hoffnungslosigkeit und die Angst einfach zu groß, oder die Menschen wissen schlichtweg nicht, dass es entsprechende Hilfsangebote gibt." (Carola Leitner, KarrierenStandards, 4.10.2012)