Bei fast jedem zweiten Krebs-Patienten, der mit oralen Krebsmedikamenten (Tabletten) behandelt wird, gibt es zumindest eine Wechselwirkung zwischen dem Chemotherapeutikum und einem anderen Medikament.

Von fast 900 untersuchten Personen wurden bei 426 Studienteilnehmern (46 Prozent) insgesamt 1359 Wechselwirkungen, bei 143 (16 Prozent) eine starke Wechselwirkung beobachtet. Diese Zahlen aus den Niederlanden wurden von Roelof van Leeuwen vom Erasmus Medical Center in Rotterdam, NL auf dem Europäischen Krebskongress ESMO 2012 präsentiert, bei dem in Wien mehr als 16.000 Experten aus 120 Ländern zusammenkommen. 

Toxische Chemotherapie

Die häufigsten Wechselwirkungen bei oralen Anti-Krebs-Medikamenten traten mit Opioid-Schmerzmedikamenten und Coumarinen (Blutgerinnungs-Hemmern) auf. Die Mehrheit der Fälle betraf das Zentrale Nervensystem, häufig auch den Gastrointestinal-Trakt. "Wechselwirkungen zwischen Medikamenten sind bei Krebspatienten sehr häufig, und viele Wechselwirkungen können ernsthafte unerwünschte Wirkungen hervorrufen", so die Studienautoren.

Je mehr Medikamente ein Patient einnimmt, desto größer ist das Risiko von Wechselwirkungen. In ernsten Fällen können Wechselwirkungen die Chemotherapie vollständig inaktivieren, aber auch derart toxisch werden lassen, dass sie für Patienten sehr gefährlich sein könne.

Keine Antidepressiva ohne Wissen des Onkologen

Zum Beispiel sollten Patientinnen, die eine Hormontherapie gegen Brustkrebs einnehmen, ohne das Wissen ihres Onkologen keine Antidepressiva einnehmen, empfehlen die Studienautoren. Eine Reihe von Antidepressiva kann die Wirksamkeit von Tamoxifen, das in der Therapie von Brustkrebs eingesetzt wird, reduzieren, wodurch das Risiko einer wirkungslosen Behandlung besteht.

Um Wechselwirkungen zu identifizieren und zu verhindern, ist ein Computer-basiertes System erforderlich, das die eingenommenen Medikamente erfasst und gegebenenfalls bei einem Risiko gefährlicher Interaktionen Alarm schlägt, meint Roelof van Leeuwender bereits in früheren Studien ähnliche Interaktionen beim Einsatz von intravenösen Chemotherapeutika fand. "Derzeit fehlen epidemiologische Daten zu Wechselwirkungen mit einer oralen Anti-Krebsbehandlung in der Literatur", sagt er. (red, derStandard.at, 2.10.2012)