Die hochbrisante Schlussphase im Topspiel der Deutschen Frauen-Bundesliga zwischen den Erzrivalen Turbine Potsdam und 1. FFC Frankfurt (1:2) am Sonntag erhitzt die Gemüter im Nachbarland. Der Eklat begann in der 88. Minute. Die Potsdamerinnen Stefanie Mirlach und Alexandra Singer erlitten bei einem Zusammenprall schwere Kopfverletzungen. Die neun übrig gebliebenen Potsdamerinnen hofften in der Folge auf einen Nichtangriffspakt. Doch Frankfurt spielte mit Hochdruck weiter und gewann durch ein Tor von Nationalspielerin Fatmire Bajramaj noch mit 2:1. Zu allem Überfluss erlitt Bajramaj nach einem Foul von Turbine-Kapitänin Tabea Kemme eine schwere Knieverletzung.

DFB sieht keinen Handlungsbedarf

Trotz der turbulenten Szenen verzichtete Schiedsrichterin Riem Hussein auf ein vorzeitiges Ende und handelte nach Einschätzung des DFB regelkonform. "Entscheidungen zur Spielzeit liegen im Ermessensspielraum der Schiedsrichter. Riem Hussein hat entsprechend den geltenden Fußballregeln gehandelt", sagte Lutz Michael Fröhlich, DFB-Abteilungsleiter für Schiedsrichter.

Aus Sicht der Potsdamer eine falsche Entscheidung. "Man weiß doch um die Psyche von Frauen. Wenn sie Blut sehen, dann geht nichts mehr. Der Frauenfußball hat es versäumt, ein Zeichen für Fair Play zu setzen. Keiner hätte es der Schiedsrichterin übel genommen, wenn sie die Partie in der 88. Minute beendet hätte", schimpfte der Potsdamer Trainer Bernd Schröder. Der Coach erinnerte an eine Partie der 2. Männer-Bundesliga zwischen dem VfL Osnabrück und Energie Cottbus im März 2011. Damals ließen beide Teams die letzten zehn Minuten ohne nennenswerte Aktionen verstreichen, nachdem der Osnabrücker Flamur Kastrati mit einem Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus gebracht worden war. "So etwas hätte ich mir auch gewünscht", so Schröder.

Der Frankfurter Manager Siegfried Dietrich konterte empört: "Die Schiedsrichterin darf doch nicht einfach abpfeifen. Das geht nur, wenn Spieler oder Zuschauer in Gefahr sind. Herr Schröder hätte sich mal an uns wenden sollen. Er kann doch nicht verlangen, dass ein Nicht-Angriffspakt von uns ausgeht", sagte Dietrich. Außerdem sei die Verletzung anders als im Fall Kastrati nicht vom Gegner, "also von uns" ausgegangen, so Dietrich: "Denn in einem solchen Fall hätten wir mit Sicherheit nicht weitergespielt. So aber wollten wir die Partie zu Ende bringen. Man darf das Sportliche nicht ganz außer Acht lassen, auch wenn das Schicksal eine gewisse Brisanz hat."

Vergiftete Stimmung

Ein möglicher Konsens war auch deshalb nicht möglich, weil die Atmosphäre im mit 4120 Zuschauern gefüllten Stadion von Beginn an vergiftet war. "Wir wurden von Zuschauern und Potsdamer Funktionären angepöbelt. Ungeheuerlich", schimpfte Dietrich, der zudem mit einem Trommelstock beworfen worden sein soll: "Die Zuschauer in Potsdam sind fern von Gut und Böse. Und die Verantwortlichen haben nie deeskalierend eingegriffen."

Für Schröder blieb nur die bittere Erkenntnis, dass man mit dem Rivalen vom Main nie richtig Freund wird. "Die kommen aus einer Banken-Metropole. Das ist eine andere Philosophie, als wir sie haben", sagte der 70-Jährige, der nun den Schaden hat. Im Erstrundenspiel der Champions League am Mittwoch gegen den belgischen Meister Standard Lüttich werden Singer (Schädel-Hirn-Trauma und Kopfwunde) und Mirlach (Gehirnerschütterung und Platzwunde) auf jeden Fall fehlen. Schröder merkte an: "Nur gut, dass wir das Hinspiel schon 3:1 gewonnen haben." (sid, 1.10.2012)