Salzburg - "Wir führen ein völlig normales Leben", sagt Birgit Brunsteiner, die einen vierjährigen Sohn mit Down-Syndrom hat. Die Debatte über die in Österreich seit 20. August erhältlichen pränatalen Bluttests für Trisomie 21 ist für die Oberösterreicherin "eine Diskussion über das Lebensrecht meines Sohnes".

Es werde kommuniziert, dass diese Menschen nicht erwünscht sind, erklärt Brigitte Sebald, vom Verein Down-Syndrom Österreich, "das ist ein massiver Angriff auf die Menschen mit Down-Syndrom". Mit dem Test kann bereits aus dem mütterlichen Blut Trisomie 21 diagnostiziert werden. "Weit über 90 Prozent der ungeborenen Down-Syndrom-Kinder werden nicht mehr auf die Welt gebracht", meint der Verein.

Falsches gesellschaftliches Klima

Der deutsche Humangenetiker Wolfram Henn warnt vor der Tendenz, dass die Tests mittelfristig auch bei Schwangerschaften ohne erhöhtes Risiko angewandt werden: "Die Tests erzeugen das falsche gesellschaftliche Klima." Eltern werde vorgegaukelt, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, obwohl nur Trisomie 21 ausgeschlossen werden kann. Die 95-prozentige Sicherheit des Bluttests sei "lächerlich wenig", sagt Henn, dadurch müsse erst wieder eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt werden, die man damit eigentlich verhindern wollte.

Zudem dürften die 1250 Euro teueren Bluttest "nicht mit der normalen Schwangerschaftsvorsorge gleichgesetzt werden", betont der Humangenetiker. Viele Frauen werden mit der Diagnose allein gelassen. Es brauche eine flächendeckende psychosoziale und medizinische Beratung vor und nach dem Test. Zudem solle eine mindestens dreitägige Bedenkzeit vor einem Schwangerschaftsabbruch aufgrund des Testergebnisses gesetzlich eingeführt werden, meint Henn.

"Pränatale Rasterfahndung"

Die Firma Lifecodexx, die die Tests in Österreich anbietet, kündigt jetzt schon auf ihrer Website an, dass in absehbarer Zeit auch andere "chromosomale Veränderungen" nachgewiesen werden können. Damit werde das Tor zur pränatalen Selektion noch weiter aufgestoßen und die "pränatale Rasterfahndung" verschärft, erklärt Anna Wieser von Verein Down-Syndrom. Außerdem bemängelte Wieser, dass sich das Gesundheitsministerium in der Sache überhaupt nicht zu Wort gemeldet habe. (Stefanie Ruep, DER STANDARD, 29./30.9.2012)