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Tunesiens Frauen nur als "Ergänzung zum Mann": So wollen es jedenfalls die Islamisten durchsetzen

Foto: Amine Landoulsi /AP/dapd

Es ist eine verkehrte Welt, die eine junge Tunesierin dieser Tage durchleben muss. Die junge Frau wurde am 3. September des Monates von der Polizei überrascht, als sie sich spät Abend mit ihrem Freund in einem Ort unweit der Hauptstadt Tunis im Auto befand. Drei Beamte verlangten die Papiere. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Während ein Polizist ihren Freund in Schach hielt, vergewaltigten die beiden anderen Beamten die junge Frau.

Am Mittwoch wurde sie vor Gericht zitiert. Doch nicht etwa als Opfer sondern als Angeklagte. Sie habe sich des "unsittlichen Verhaltens" schuldig gemacht und gegen "öffentliches Ärgernis erregt". Sie wäre mit ihrem Freund in einer "unmoralischen Stellung" überrascht worden, lautet die Begründung. Nach einer Gegenüberstellung mit ihren zwei Peinigern wurde das Verfahren auf Anfang nächste Woche vertagt.

"Vereinzelte" Vorfälle

"Das Opfer wird zur Angeklagten gemacht, um sie und ihr Freund einzuschüchtern, damit sie auf ihre Rechte verzichten", beschweren sich mehrere Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, darunter die Vereinigung Demokratischer Frauen und die Menschenrechtsliga Tunesiens. Die Organisationen fragen die islamistisch geführten Regierung, ob es ihr "mit der Anwendung des Plans gegen Gewalt gegen Frauen ernst ist". Die linke Opposition in der verfassungsgebenden Versammlung wirft der Polizei vor, wie zu Zeiten der Diktatur des im Januar 2011 gestürzten Diktators Ben Ali, "noch immer Vergewaltigung als Mittel der Repression" einzusetzen.

Ein Sprecher des Innenministeriums versucht den Fall herunterzuspielen. Übergriffe der Polizei gegen Frauen seine völlig "vereinzelte" Vorfälle. "Man darf darin nicht Organisiertes oder Übliches sehen", fügt er hinzu. Polizisten seien in allererster Linie Bürger und als solche vor dem Gesetz ebenso verantwortlich wie der Rest der Bevölkerung.

Kritik

Selbst in Regierungskreisen will dies so manchen nicht zufriedenstellen. "Ich sage mich vollständig von dieser Regierung los", wettert Karima Souid, Abgeordnete der linken Ettakatol, die die islamistische Ennahda an der Regierung unterstützt, auf ihrer Facebook-Seite. "Die Vergewaltigungsaffäre ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt." Seit Monaten steht die Regierung seitens der Frauenbewegung in der Kritik. Die Islamisten konnten in einem der Ausschüsse, der mit der Ausarbeitung der neuen Verfassung beauftragt ist, durchsetzen, dass die Frau als "Ergänzung zum Mann" definiert wird. Am Montag wurde in einem anderen Ausschuss die Frau mit dem Mann gleichgestellt. Die Debatte um den endgültigen Text verspricht heiß zu werden. (Reiner Wandler, derStandard.at, 28.9.2012)