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Vom Wesen her eine Liane, wächst Wein unglaublich schnell. Einige Meter pro Jahr sind da schon drinnen - das sollte beim Setzen bedacht werden.

Foto: dpa/Daniel Karmann

"Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör!" Damit hatte Wilhelm Busch einst natürlich recht gehabt, als er dem frommen Frauenzimmer Helene eine finale Flasche Likör in die Geschichte gezeichnet und gedichtet hatte. Aber die Zeiten haben sich geändert, seit Qualtingers & Merzens Herrn Karl sind die Likörkompositionen ein wenig in ihrer Popularität gesunken, und Mann und Frau greifen wieder bevorzugt zu Wein und seinen Derivaten. Und so tun es auch die Gärtnerinnen und Gartler.

Wer einen Garten hat, der hat auch Sorgen: Wann kommt endlich die Bestellung, wird die Clematis denn blühen, kann sich das zarte Rispengras durchsetzen ...? Garten und Gärtner sind stets von einer Sorgenwolke umhüllt. Zum Wein greift die Gärtnerin allerdings auch dann, wenn sie eine Beere von der Traube pflückt, um zu testen, ob sie denn schon ausreichend süß sei. Denn Ende September, Anfang Oktober ist die Zeit von Vitis vinifera ssp. vinifera, übersetzt: vom aber so was von weinlieferndem Wein.

Damit dieser auch gut gedeiht, braucht es ein wenig Wissen über diese Pflanze. Vom Wesen her eine Liane, wächst Wein unglaublich schnell. Einige Meter pro Jahr sind da schon drinnen, das sollte man beim Setzen bedenken. Wer sich eine Pergola begrünen oder eine Laube ziehen möchte, ist mit dem Ankauf von Wein gut beraten. Wer sich hingegen nur an seinen Früchten laben oder in Folge berauschen möchte, der wird dem Längenwachstum bald, so nach eineinhalb bis zwei Metern, Einhalt gebieten.

Laubwandmaximierung und Wachstumsminimierung

Zur Maximierung der Fruchtsüße muss der Gärtner einen schmalen Pfad zwischen Laubwandmaximierung und Wachstumsminimierung beschreiten. Die Kraft und der Kohlenstoff, die für das Wachstum zusätzlicher Triebe benötigt werden, fehlen dann den Trauben für die Süße. Deshalb entfernen Winzer und Obstgärtner die Geiztriebe, welche von den neun bis fünfzehn Haupttrieben aus wachsen. Wenn man so seine zwei bis drei Quadratmeter Laubwand pro Stock pflegt, müsste das reichen.

An und für sich kommt der Wein gut mit Schatten zurecht. Als Auwaldpflanze hat er diese Eigenschaft wahrscheinlich im Genom. Aber nur weil er damit zurechtkommt, heißt das nicht, dass ein wenig Mehr an Sonne schädlich wäre. Für wirklich süße Früchte kann es gar nicht zu viel an direktem Sonnenlicht für den Wein geben. Und weil die Menschen gerne Macht ausüben und so auch den Wein durch Zucht und Veredelung sich untertan gemacht haben, sind die hochgezüchteten Sorten krankheitsanfällig. Echter und Falscher Mehltau setzen dem Laub zu, lassen es welken und verdorren und schaffen es mitunter sogar, einen Stock komplett zu entlauben. Sieht hässlich aus, schmeckt auch nicht gut.

Kampf gegen den Parasit

Wenn man auf helfende, synthetische Chemie verzichten möchte, so kann man durch richtige Pflege den Stock im Kampf gegen den Parasit unterstützen. Dabei dreht sich alles um die Feuchte. Die gilt es am Stock zu verhindern. Daher sind sonnige und windige Standorte von Vorteil. Auch hilft es, regelmäßig älteres Laub herauszuschneiden, damit der Wind auch in das Stockinnere vordringen und dort für Trockenheit sorgen kann. Wer vor der feuchtigkeits- und pilzbedingten Traubenfäule Angst hat, kann auch die Traubenzone am Stock freilegen. Aber Vorsicht - zu viel direkte Sonneneinstrahlung kann Trauben quasi verbrennen.

Das Laub schützt die Trauben vor mechanischer Schädigung, sprich Hagel. Auch hier liegt es an der Einschätzung des Gärtners, das richtige Maß zu finden. Hat er das gefunden, so kann er sich in Folge an Singvögeln, Trauben, Traubensaft, Sturm, Wein, Weinbrand, Rosinen, Traubenkernöl, Traubenkern- und Traubenschalenextrakten und Roten Weinlaubpräparaten gütlich tun. Das Ende der Likörkompositionen scheint definitiv. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 28.9.2012)