"Er war immer schon da. Ich musste nur den überflüssigen Marmor um ihn herum entfernen." Sprach weiland Michelangelo, als er seinen David, dies weltberühmte Wahrzeichen der freien Bürger von Florenz, aus dem Carrara-Block gemeißelt hatte.
Vielleicht schwebte Mercedes eine Assoziation dieser Art vor, als man einen übrigens sehenswerten Satz Fotos vom CLS Shooting Brake im Marmorsteinbruch Carrara schießen ließ und das Fahrzeug der Weltpresse in und um Florenz präsentierte, in einer der schönsten Kulturlandschaften von überhaupt.
In Abwandlung von Novalis' ergreifenden Jakob-Böhme-Versen könnte die Mission dieses Kombis der anderen Art durchaus lauten: "Der Schönheit Bote sollst du sein." Markant elegant kommt er daher, klassisch proportioniert, lange Motorhaube, noch längerer Coupéschwung, wobei Goldener Schnitt wohl nicht nur formal, sondern auch pekuniär zur Anwendung kommt.
Der Wagen basiert auf der E-Klasse, es fielen folglich relativ geringe Entwicklungskosten an - er kostet aber im Schnitt über 10.000 Euro mehr als das - bestens eingeführte - T-Modell (Kombi), Mercedes macht also auch seinen goldenen Schnitt.
Warum funktionieren manche Ideen und manche nicht? Keine Ahnung, es ist jedenfalls so. Nehmen wir die R-Klasse. Mit dem Riesending wollte Mercedes 2005 ei ne ne ue Marktlücke auftun. Hat nicht geklappt. Bis jetzt jedenfalls nicht. Anders beim CLS. Startete 2004, kombinierte Coupé (Form) und Limousine (vier Türen), wurde ein durchschlagender Erfolg und inzwischen mehrfach von der Konkurrenz nachgeahmt. Hier also gilt: Wer wagt, gewinnt.
Nur, in zweiter Generation hat der CLS deutlich an Leichtigkeit, an Grazilität verloren, die Designalleinstellung innerhalb der Benz-Palette ging ebenfalls verloren, der Wagen wurde quasi eingemeindet. Wer also das Un-, das Außergewöhnliche sucht bei der Marke mit dem Stern, wird jetzt wieder fündig, mit diesem CLS Shooting Brake, bei dem nur eines wehtut: der völlig deutschfreie Name.
Ja, da laufen die Leute zusammen, heute in Florenz, morgen in aller Welt. Die Designer haben ihn sozusagen aus dem Block herausgemeißelt, siehe oben. Die Konzepttüftler mussten dann darauf achten, dass der Sinn fürs Praktische nicht auf der Strecke blieb: 590 Liter Gepäck fasst der Kofferraum, bei umgelegten Rücksitzen werden bis zu 1550 Liter daraus, und dass man damit dem E-Klasse T-Modell nicht in die Quere kommt, zeigt dessen Ladekapazität: noch einmal deutlich üppigere 695 bis 1950 Liter sind es dort.
Besonders stolz, wir bleiben beim Kofferraum, wechseln aber von "Bote" (Schönheit) zu "Boote" (Wasserfahrzeuge), sind die CLS-Inneneinrichter auf die exquisite Ausstattungslinie "designo".
Da wähnt man sich fast auf einer Luxusyacht, bei all dem edlen Gehölz - und traut sich kaum was draufzustellen, könnte ja ein Kratzer passieren, fast möchte man der Ladung Filzpantoffel verordnen.
Im Fahrkapitel ist wenig Neues zu vermelden - hochkomfortables Fahrwerk, das lediglich bei kurzen Stößen einen leisen Hauch von Schreckhaftigkeit zeigt, an genehm direkte Lenkung, und am Getriebesektor gibt's (von AMG einmal abgesehen) nur eine einzige Wahl, die 7G-Tronic, Wandlerautomatik also.
Zählt immer noch zum Spitzenfeld, allein, das Bessere ist des Guten Feind - mit der ZF-8-Gang-Automatik kann sie nicht mehr ganz mithalten. Speziell die Wandlergedenkzehntelsekunde zwischen Marschbefehl via Gaspedal und Umsetzung via Vortrieb fällt da im Vergleich auf.
Kompliment zur Effizienz der Motoren. Und selbst der Basisdiesel (250 CDI) bietet mehr als ausreichend Leistung, 204 PS sowie 500 Nm - bei 5,3 l / 100 km Normverbrauch.
Zwei Versionen gibt's auch mit Allrad: 350 CDI 4matic (265 PS) und 500 4matic (408 PS), das wird viele Österreicher freuen. Und der Leistungsgesellschafter, der heißt: CLS 63 AMG. 525 PS, 800 Nm, du meine Güte ... (Andreas Stockinger, Der Standard Printausgabe, 21.9.2012)
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