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Proteste gegen Romney in Salt Lake City

Foto: AP/Dharapak

Ein Stichwort Dave Lettermans reicht, die Zahl 47 Prozent. Nach Mitt Romneys Worten stimmen 47 Prozent der Amerikaner im November schon deshalb für Barack Obama, weil sie vom Staat abhängig sind, sich für Opfer halten und glauben, dass die Regierung sie versorgen müsse. "Ist es das, worüber reiche Burschen in Country-Clubs reden?", fragt süffisant lächelnd der Moderator der Late Show. Natürlich ist es eine Steilvorlage für den Präsidenten, der vor Letterman im Studiosessel sitzt, und natürlich nutzt der Gast die Gelegenheit, um seinem Rivalen eins auszuwischen.

Staatsmännisch spricht Obama von den Lektionen im Oval Office. Dort habe er gelernt, dass er das ganze Land vertrete, nicht nur Demokraten, sondern auch Republikaner. "Und als ich 2008 die Wahl gewann, stimmten 47 Prozent für John McCain, nicht für mich." Ihnen habe er noch in der Nacht seines Sieges gesagt: "Selbst wenn ihr nicht für mich gestimmt habt, ich höre eure Stimmen, ich werde hart für euch arbeiten".

Obama hat seine eigenen Erfahrungen mit verbalen Ausrutschern, genauer gesagt, mit der Art von Klartext, wie ihn Kandidaten im kleinen Kreis ihrer Großspender reden, wo sie sich unbeobachtet fühlen von den Medien. Vor vier Jahren sprach der damalige Senator im liberalen San Francisco merkwürdig distanziert von den Hacklern des Rostgürtels der alten Industrie, die sich in ihrer Verbitterung an Flinten und die Kirche klammern. Der Unterschied zu heute ist: Obamas vertrauliche Rede wurde sieben Monate vor der Wahl publik, es blieb Zeit zur Schadensbegrenzung. Romneys harsche Worte dagegen dürften sieben Wochen vor dem Urnengang den Endspurt des Duells bestimmen. Zumal sie sich einreihen in eine Serie von Ausrutschern, die den Geschäftsmann zumindest als ungeschickten Wahlkämpfer dastehen lassen, wenn nicht als abgehobenen Elitären, der das Amerika der Durchschnittsverdiener nicht versteht.

Republikaner in Panik

Um Leutseligkeit bemüht, ließ er Autoarbeiter in Michigan einmal beiläufig wissen, dass auch seine Gattin "ein paar Cadillacs" besitze. Als er seinem texanischen Rivalen Rick Perry während einer Fernsehdebatte eine Wette anbot, schlug er wie selbstverständlich zehntausend Dollar als Einsatz vor. Es waren Episoden am Rande, nichts Wahlentscheidendes. Die abfällige 47-Prozent-Bemerkung dagegen lässt manchen Anhänger Romneys in Panik ausbrechen.

"Arrogant und dumm" sei die Rede, meint William Kristol, die profilierteste Stimme des rechtsgerichteten Magazins Weekly Standard. Romney scheine nicht nur die Demokraten zu verachten, sondern auch etliche Millionen, die eigentlich für ihn stimmen würden. David Brooks, die konservativste Stimme der New York Times, schreibt von einem Mann, der "wirklich nicht allzu viel weiß über das Land, in dem er lebt".

Romney führe einen linkischen Wahlkampf, meint Brooks. Er rede dummes Zeug, weil er eine Rolle spiele, die nicht zu seiner pragmatischen Art passe: die Karikatur eines Regierungshassers. Scott Brown wiederum legt Wert darauf, sich umgehend von der spaltenden Polemik abzusetzen. Brown, eines der neuen Gesichter der Grand Old Party, gilt als einer der republikanischen Hoffnungsträger für die Wahl 2016. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, 20.9.2012)