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Josef Zotter: "Die Kritik kommt von Menschen, die den Boden unter den Füßen verloren haben. Sie verstehen nicht, wie Wirtschaft funktioniert."

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Ein Modell des Areals in Shanghai am Huangpu-Fluss. Das Zotter Schoko-Theater befindet ...

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... sich am Pier, links vorne.

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Wo Zotter draufsteht, ist Zotter drin. In Österreich, Neuseeland, Kanada - und China. Denn die Schokolade, die hierzulande zum Inbegriff des kreativen Qualitätssegments geworden ist, soll nun auch in Schanghai verkauft werden. Dafür nimmt Zotter vier Millionen Euro in die Hand. Neben Anerkennung und Lob für das Unternehmen im steirischen Bergl gibt es auf der Facebook-Seite von Zotter auch Kritik: Warum diese Expansion ausgerechnet in einem Land, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Josef Zotter kontert im Gespräch mit der Standard.at: In China werde Schokolade verkauft, keinesfalls jedoch produziert. Anders als bei internationalen Firmen, die die "Drecksarbeit" für ihre Produkte in China verrichten lassen, könne daher von Expansion keine Rede sein.

Mit der Eröffnung des Schokotheaters, des "Zhen de Shanghai" ("Hüte den Schatz"), leiste er gleich zweifache Pionierarbeit, sagt Zotter. Zum einen bringe er als Erster das Bio- und Fair-Trade-System nach China, zum anderen werde der Gebäudekomplex in Schanghai, eine verlassene Fabrik, nicht wie sonst in der Volksrepublik üblich niedergerissen, sondern revitalisiert.

derStandard.at: Auf Ihrer Facebook-Seite wirft man Ihnen vor, dass es Sie ausgerechnet nach China zieht, einem Land, das immer wieder wegen verletzter Menschenrechte in den Schlagzeilen ist, wo Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne international für Aufregung sorgen.

Zotter: China war weder geplant, noch sind wir auf Expansionskurs. Es hat sich langsam entwickelt. Und spontan - so wie meine Schokoladenkreationen. Ein einjähriges Austauschprogramm meiner Tochter in China führte mich einige Male in die Volksrepublik. Daneben besuchten uns immer wieder chinesische Delegationen in der Steiermark. Im Übrigen kamen auch Inder und Amerikaner vorbei. (lacht) Diese Länder sind zurzeit aber keine Option - wir sind mit China ausgelastet.

Zum Lohnniveau: Gerade im Gürtel um Schanghai und Peking leben mittlerweile 400 Millionen Chinesen mit einem Lohnniveau, das mit dem unsrigen vergleichbar ist. Die Zahl dieser Gutverdienenden entspricht in etwa der in Europa. Natürlich leben 600 bis 900 Millionen Chinesen mit viel weniger als bei uns die Schlechtestverdienenden. Trotzdem lassen so gut wie alle Firmen in China produzieren. Zotter produziert nicht in China, wir bieten Verkauf und eine sogenannte Schauproduktion an: Mit dem Aushängeprodukt "Mixing Bar" kann der chinesische Kunde seine Schokolade entweder online individuell zusammensetzen oder im Shop zusehen, wie seine Schokolade entsteht.

derStandard.at: Ihre Schokolade ist nicht nur im oberen Qualitäts-, sondern auch im oberen Preissegment angesiedelt. Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Sie produzierten nur für die Reichen?

Zotter: Diesen Vorwurf kann ich nicht mehr hören. Natürlich sind wir in China, aber auch hierzulande ein teures Produkt, was man durchaus kritisch sehen kann. Aber wir sind kein Luxus, sondern ein normales Lebensmittel, das hochwertig und nach biologischen Richtlinien produziert wird. Das hat seinen Preis. Doch so funktioniert Wirtschaft eben: Wir verdienen und investieren wieder, ohne jemanden auszubeuten.

derStandard.at: Ein Vorwurf in einem Posting auf Ihrer Facebook-Seite lautet, der Preis für eine 70-Gramm-Schokolade liege in China bei etwa acht Euro. Welche Rolle spielen dabei die Importzölle?

Zotter: Unsere Schokolade verlässt das Werk in der Steiermark um ca. 1,80 Euro. Dazu kommen Transportkosten und etwa 15 Prozent Einfuhrzoll - nicht viel mehr als für Russland oder die Schweiz. In China kommt die Schokolade mit drei bis 3,50 Euro an. Bei Ware aus Europa braucht der Chinese eine Preisbasis, auf der er verhandeln kann. Es gilt dasselbe wie in Europa: Je mehr er kauft, desto günstiger wird's. Wir rechnen daher unterm Strich im Schnitt mit einem Preis zwischen fünf und 5,50 Euro für eine Tafel Schokolade ...

derStandard.at: ... made in EU.

Zotter: Der Chinese tickt ähnlich wie der Japaner: Dieser will nichts aus Europa erwerben, was in Japan produziert wurde. Shanghai ist wie Hongkong und Singapur heute längst kein Produktionsstandort mehr, sondern eine Wirtschaftsmetropole. Wohin denken Sie wandert derzeit das Kapital von der Schweiz ab?

derStandard.at: Wie gehen Sie mit der Kritik um, Geschäfte in China zu machen?

Zotter: Die Kritik kommt von Menschen, die den Boden unter den Füßen verloren haben. Sie verstehen nicht, wie Wirtschaft funktioniert. Viele heimische Unternehmen tragen mit ihren Standorten außerhalb Österreichs und auch in Ländern wie China zur florierenden Wirtschaft Österreichs bei. Wir verkaufen Schokolade in Japan, in Kanada - für Kritiker kein Thema. An China jedoch stoßen sie sich. Natürlich ist uns klar, wie in diesem Land mitunter mit Menschenrechten umgegangen wird.

Zotter hätte zwei Möglichkeiten gehabt: Zum einen, hierzulande in ein breiteres Marktsegment einzusteigen, sprich unsere Schokolade auch in Supermärkten zu verkaufen oder eben neue Märkte zu erschließen. Unser Ziel ist, in China ein Schoko-Theater zu eröffnen und den Online-Shop in Peking zu etablieren.

derStandard.at: Wie stark ist die Nachfrage in diesem chinesischen Online-Shop?

Zotter: (lacht) In Graz verkaufen wir immer noch mehr als in ganz China.

derStandard.at: Wie kann man sich das für 2013 geplante Schoko-Theater, Schoko-Wunderland, vorstellen?

Zotter: Keinesfalls als Fabrik oder Produktionsstätte, wie das bereits oftmals kolportiert wurde. Wir liefern alle Zutaten von Österreich nach Shanghai und verkaufen die Schokolade dort. Die Kritik, dass das ökologisch nicht wahnsinnig toll ist, akzeptiere ich. Die Rohschokoladen werden mit dem Schiff transportiert, alles, was frisch und heikel ist, mit dem Flugzeug. In Shanghai selbst werden 40 Arbeitsplätze mit  österreichischen und chinesischen Mitarbeitern geschaffen. Bewerbungen gibt es bereits. Weitere zehn Angestellte betreuen die Produktion in Österreich.

derStandard.at: In Schanghai siedeln Sie sich in einem verlassenen Fabriksgelände an?

Zotter: Das ist richtig. Der Gebäudekomplex wird - und das ist eine Premiere für Schanghai - nicht niedergerissen, sondern revitalisiert wird. Er befindet sich in einem riesigen Areal, in dem einst insgesamt 60.000 Menschen gearbeitet haben. Heute siedeln sich dort Firmen und Geschäfte an. Unser Standort hat circa. 2.400 Quadratmeter und wurde uns für die nächsten fünf Jahre zu einem sehr niedrigen Zins zur Verfügung gestellt.

derStandard.at: Nebenbei sind Sie der Erste, der das Bio- und Fair-Trade-System nach China bringt. Fühlen Sie sich als Pionier?

Zotter: Ja, schon. Im Übrigen sind wir auch in Europa der einzige Hersteller, der komplett Fair Trade und Bio direkt von der Bohne produziert. Bio ist in China zwar gerade im Kommen, Fair Trade allerdings bislang überhaupt kein Thema.

derStandard.at: Damit ist Ihr Know-how in China. Fürchten Sie keine Plagiate?

Zotter: Nein. Wir können nicht verhindern, dass abgekupfert wird. Erst kürzlich ist eine "Mitzi Blue" (eine der 14 Zotter-Marken, Anm.), die nicht das Geringste mit Zotter zu tun hat, in Bali aufgetaucht. Natürlich haben wir den Fälschern das Handwerk gelegt, trotzdem passiert so etwas immer wieder. Wenn wir schon dabei sind: Ist es nicht mehr als präpotent von den Europäern, sich als Dienstleistungsgesellschaft hinzustellen, während sie die Produktion, die Drecksarbeit in China verrichten lassen? (Sigrid Schamall, derStandard.at, 20.9.2012)