Wien - Das vorläufige Aus für den Agrotreibstoff E10 hat heute für breite Zustimmung gesorgt, lediglich Agrarvertreter übten Kritik. Für Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ist E10 - Benzin mit zehnprozentigem Ethanolanteil - noch nicht gestorben, auch wenn die EU heute noch einmal das künftige Beimischungsziel von fünf Prozent bestätigt hat. Derzeit hat Österreich bereits eine Anteil biogener Kraftstoffe von 6,75 Prozent.

Für Berlakovich ist E10 noch immer eine Klimaschutzmaßnahme, aus heutiger Sicht sei es durchaus realistisch, dass E10 auch auf europäischer Ebene noch kommen kann. Eine Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger betonte heute hingegen, dass es bei der Fünf-Prozent-Regelung bleiben soll. Der neue Vorschlag müsse aber noch formal vom ganzen EU-Kommissionskollegium angenommen werden.

Häme

Von der Opposition erntete Berlakovich Häme. Die FPÖ sprach von einem "peinlichen Flop für Berlakovich". FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer betonte, die Aussetzung sei "ein Sieg der Vernunft". Dass Berlakovich weiter die Einführung von E10 nicht ausschließt zeigt laut BZÖ-Agrarsprecher Gerhard Huber von "Unbelehrbarkeit". "Berlakovich muss endlich die Landwirte und die Konsumenten vertreten und sich endlich gegen Raiffeisen/Agrana stellen", verlangte Huber. Auch die Grünen vermissen Einsicht beim Minister. "E10 ist vom Tisch. Agrar-Treibstoffe werden nicht, wie Berlakovich behauptet, neu bewertet", kommentierte die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner.

Und auch der Regierungspartner hält wenig von der Ankündigung des Ministers, E10 vielleicht doch noch einführen zu wollen. "E10 hat ausgedient", so Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung.

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die "Zeit für eine umfassende Kehrtwende in Biospritpolitik" gekommen. Global 2000 hielt in einer Aussendung fest, dass die "derzeitige Biosprit-Politik kein Klimaschutz ist". Auch der WWF begrüßte die "Nachdenkpause beim konfliktbesetzten Thema Agrosprit". Die Naturfreunde Österreich wiederum forderten einen "Ausstieg statt Aufschub" bei E10.

Agrana entspannt

Entspannt gab sich die Agrana, die das einzige Bioethanolwerk in Österreich betreibt. Dann werde die Überproduktion hierzulande eben wie bisher exportiert. Derzeit werden in der Agrana-Biospritanlage in Pischelsdorf aus Mais und Weizen jährlich 220 Mio. Liter Ethanol hergestellt, davon werden 50 Prozent ins Ausland exportiert. Der Rest wird in Österreich dem Benzin (E5) beigemischt. Als Nebenprodukt der Agrospriterzeugung produziert die Agrana rund 180.000 Tonnen eiweißhaltiges Tierfutter. Rund die Hälfte der benötigten Rohstoffe für das bereits eingeführte E5 kommen aus dem benachbarten Ausland.

Weniger entspannt zeigten sich die Bauernvertreter. "Mit der Aussetzung von E10 ist die Energiefrage alles andere als gelöst. Die populistisch und unsachlich geführte Debatte hat jetzt kurzzeitige Effektpolitik ohne Nachhaltigkeit ausgelöst", so Bauernbund-Direktor Johannes Abentung. Die Debatte sei von "Scheinheiligkeit und Scheinargumenten geprägt". Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski sieht biogene Treibstoffe weiterhin als "Problemlöser für den Verkehrsbereich". Und auch der Biomasseverband macht seiner Enttäuschung Luft. "Die in Österreich eindeutig politisch motivierte Debatte der E10-Gegner bringt das Land nicht weiter und schürt allgemein ein Unbehagen gegenüber Veränderungen der Mobilität in Richtung erneuerbarer Energien, die dringend notwendig wären", so Horst Jauschnegg, Vorsitzender des Österreichischen Biomasse-Verbandes.

Während sich die Landwirte durch einen höheren Zumischungsgrad zusätzliche Einnahmen erhofft hatten, freut sich die Arbeiterkammer (AK) dass den Autofahrern durch die E10-Aussetzung Mehrkosten erspart geblieben seien. Sie spricht von 51 Mio. Euro Zusatzkosten die durch E10 auf die Pkw-Besitzer zugekommen wären. (APA, 18.9.2012)