Seat legt derzeit eine Performance hin, die nicht annehmen lässt, dass wir in einer Krise stecken. Der August schießt die spanische VW Marke erstmals unter die ersten drei der Verkaufsstatistik, und übers Jahr gesehen nistete sich Seat auf Marketshare-Rekordhoch in den Top Ten behaglich ein. Wohlgemerkt: Das sind Zahlen für Österreich, ein Land, das traditionell liebt, wo VW drinsteckt.

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Im Heimspiel, also in Seats wichtigstem Markt, sieht es eher düster aus. Trotz fescher und günstiger Modelle - neuer Ibiza, Mii - mag man in Spanien nicht gern Geld ausgeben. Hier entfacht die Konjunktur einen strengen Gegenwind, der Umsätze in der Autobranche und im Konsumgüterbereich insgesamt bremst.

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Da passt es ganz gut, dass man im Frühling mit dem nächsten grundvernünftigen Auto herauskommt. Einer kompakten Limousine, die weder ans Budget noch an die körperliche Leistungskraft besondere Ansprüche stellt. Der neue Toledo fährt sich - na sagen wir - so gutmütig wie ein Octavia. Oder so präzise wie ein neuer Golf.

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Wie nagende Journalistenfragen zutage gebracht haben, besteht er auch genau aus Teilen dieser Modelle. Vorne Octavia, hinten Golf, und insgesamt entspricht er damit dem neuen Skoda Rapid, auf dessen Montagebändern der Toledo in brüderlicher Eintracht im tschechischen Mlada Boleslav gefertigt wird.

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Er führt zwar den bekannten Namen fort, interpretiert ihn aber klar und unverschnörkelt und bricht mit der Knickheck-Spielerei des Vorgängers, der wegen durchschlagender Erfolglosigkeit vor drei Jahren eingestellt wurde.

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Der Toledo ist ein Auto mit schmaler Limousinenform, wobei der Kofferraum von einer wohltuend großen Heckklappe behütet wird, die am Dachende den Angelpunkt hat. So wird daraus eine Art Fließheckkombi mit erstaunlichem Fassungsvermögen von 550 Litern, was sich durch Umklappen der Rückbank weiter steigert. Ein Wert, den viel größere Autos selten auf die Waage bringen.

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Ebenso großzügig ist der Innenraum geschneidert. Die üppig bemessene hintere Beinfreiheit von 65 Zentimeter schuldet er dem langen Radstand, der außerdem Ruhe in die Fahrkultur mit einbringt und vom Armaturenbrettdesign gespiegelt wird. Denn wenn die Außenhautgestaltung den kantigen Seat-Schwung aufgreift, herrscht innen die Ratio eines VW: ergonomisch, griffstabil, klar und genau: Wer sich an Rundungen sattsehen möchte, sitzt definitiv im falschen Auto.

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Natürlich hat Seat auch keine Motoren gebaut, wo man doch in den Volkswagen-Katalogen blättern kann. Bestellt wurden Benziner mit 75, 90 und 122 PS sowie ein Diesel zu 105 PS, ein weiterer Selbstzünder mit 90 PS wird später kommen. Wie überall, wurde auch bei Seat an der Effizienzschraube gedreht, und so liegen die meisten Motoren unter 120 g CO2 pro Kilometer.

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Der 1,6 TDI verschlingt zum Beispiel nur 4,4 Liter laut Normverbrauch, der ökologisch optimierte Ecomotive braucht offiziell gar nur 3,9 Liter. Und viel mehr fiel bei der Testfahrt auch nicht an. Trotzdem muss man sich über die Fahrleistungen nicht beklagen, auch wenn aus dem Toledo mit keiner Motorisierung ein Rennwagen wird.

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Was ihn denn vom Skoda Rapid unterscheide, wurde gefragt. Nun, die Front- und Heckgestalt, die die Markenidentität in die Welt hinausträgt. Und? Na ja, die Kennlinien der Dämpfer und Federn wären auf Seat-typische Straffheit gestellt, wodurch sich ein dynamischer Effekt bei hohem Komfort ergibt. Hm, den Unterschied muss uns einmal jemand vortanzen. Gleichwohl, der Toledo lässt es an Spurtreue und leichter Handhabbarkeit nicht missen und belästigt auch nicht mit Lärm.

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Ein Auto wie geschaffen für die Vernunft in wirtschaftlich ungewissen Zeiten, kleiner, als man sich ein Familienauto gemeinhin vorstellt, dadurch schneller zu waschen und leichter zu pflegen. Die Qualität stimmt - überhaupt, wenn man das Gebotene am Preis misst. Als Einstiegsschwelle schwebt dem österreichischen Importeur ein Wert knapp über 14.000 Euro vor. (Andreas Hochstöger, Der Standard Printausgabe, 14.9.2012)

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