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Judith Butler bei der Verleihung des Adorno-Preises in der Frankfurter Paulskirche.

Foto: APA/EPA/Rumpenhorst

Berlin - Die US-Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Judith Butler hat wenige Tage nach der Ehrung mit dem Frankfurter Adorno-Preis ihre Kritik an Israel bekräftigt. Israel verdamme fünf Millionen Palästinenser zu einem Leben als Flüchtlinge und sei dabei selber von Flüchtlingen gegründet worden. "Mit diesem Widerspruch muss Israel leben", sagte die jüdische Wissenschaftlerin auf einer Diskussionsveranstaltung am Samstagabend im Jüdischen Museum Berlin. Sie begrüßte zudem die Boykottbewegung gegen den jüdischen Staat.

Wie viele andere Juden identifiziere sie sich nicht mit Israel und seiner Politik. "Der jüdische Staat vertritt nicht alle Juden", betonte sie auf der Podiumsdebatte über den Zionismus. Mit dem Boykott israelischer Waren solle politischer Druck auf Israel zur Anerkennung der Palästinenser ausgeübt werden.

Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik widersprach Butler. Für Israel müssten die gleichen Maßstäbe wie für andere Nationalstaaten gelten. "Seit wann stellen wir Staaten in Frage?", sagte Brumlik. Bei der Gründung Israels 1948 habe es auf palästinensischer Seite keinen Partner für einen gemeinsamen Staat gegeben. Brumlik ging auch mit der These ins Gericht, wonach angesichts der Jahrhunderte langen Verfolgung der Juden besonders hohe humanistische Maßstäbe für ihren Staat zu gelten hätten. "Es gibt keine moralische Patentlösung für Israel", betonte er. Faktisch sei Palästina aber längst ein binationales Territorium.

Die 56-jährige Butler, Professorin an der University of California in Berkeley und eine der führenden feministischen Theoretikerinnen, war am 11. September in der Frankfurter Paulskirche als eine der maßgeblichen Denkerinnen unserer Zeit mit dem Adorno-Preis geehrt worden. In ihrer Dankesrede war sie nicht auf das Thema Israel eingegangen. Gegen die Auszeichnung hatte unter anderem der Zentralrat der Juden in Deutschland protestiert und sie als "bekennende Israel-Hasserin" bezeichnet. (APA, 15.9.2012)