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Robert Griffin III lässt Washington hoffen. Der Rookie führte die Redskins zu einem Auftaktsieg über die New Orleans Saints.

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Das gab es in der modernen Geschichte der NFL zum Saisonstart noch nie: Vergangene Woche standen bei den 16 Spielen fünf Rookies auf der Position des Spielmachers am Feld. Die Anordnung dieser Versuchsreihe ist kein Zufall, denn die Intensität, mit der erfolgsbefreite Programme nach ihrem Franchise-Quarterback suchen, die nahm in den vergangenen Jahren spürbar zu. Mit einigen Volltreffern (Newton, Stafford), aber auch schweren Irrtümern (JaMarcus Russell).

Warum ist das so? Das letzte Mal als ein Team ohne herausragenden Spielmacher eine Superbowl gewann, schrieb man noch das Jahr 2003. Trotz und nicht wegen Brad Johnson holten die Tampa Bay Buccaneers die Superbowl XXXVII gegen Oakland. Zwei Jahre davor hatte der Starting Quarterback der Baltimore Ravens, ein gewisser Tony Banks, ein QB-Rating von 60 plus und wurde während der Saison durch Trent Dilfer ersetzt. Den Pokal holten am Ende aber Ray Lewis & Co nach Maryland und nicht die Offense. Es war das Finale mit dem geringsten Raumgewinn und den meisten Punts der Geschichte.

Seither hießen die Quarterbacks der Champions Tom Brady, Peyton Manning, Drew Brees, Aaron Rodgers (damit die Elite der Liga), bzw. Ben Roethlisberger und Eli Manning, deren Namen auch deutlich schöner klingen als die der gesichtslosen Johnsons und Dilfers.

Auf der Suche nach dem Franchise QB

Wobei diese intensive Expedition auch deutliche Anzeichen von Torschlusspanik hat, sieht man sich die Drafts der vergangenen Jahre an. Nicht jenen von 2011, davon sind noch fast alle übrig geblieben. Die Namen Jake Locker, Christian Ponder und Blaine Gabbert haben eine gewisse Aussicht darauf auch noch 2015 in unseren Köpfen zu sein, müssen aber auch mit der Gefahr leben, dass man sie bis dahin längst vergessen hat. Andy Dalton und Cam Newton werden sich wohl in jedem Fall halten.

Wenn man jedoch weiter zurück geht, dann stellen sich doch Fragen, wie es den ehemaligen Hoffnungsträgern in der zweiten Reihe heute geht, sollten sie überhaupt in der noch stehen. Also: How do you do, Jimmy Clausen? Colt McCoy? Mike Kafka? Joe Webb? - nur ein kleiner Teil der 14-köpfigen Klasse von 2010, die bis auf Sam Bradford, Tim Tebow und John Skelton (echt!?) herum sitzt oder überhaupt schon "was Gescheites" arbeitet. Ein tatsächlich spielendes Trio hat auch der Draft 2009 anzubieten (Stafford, Freeman, Sanchez), aber wer waren schnell noch mal Tom Brandstater, Mike Teel, Keith Null, Curtis Painter, Pat White, Stephen McGee, Rhett Bomar und Nate Davis? Die Zukunft jedenfalls nicht.

Von den 24 gedrafteten Quarterbacks der Jahre 2008 und 2007 starten heute mit Matt Ryan (Atlanta) und Joe Flacco (Baltimore) gerade mal zwei in der NFL. Besonders intensiv waren und sind die Bemühungen der Miami Dolphins, die in den vergangenen sechs Jahren mit John Beck (2007), Chad Henne (2008), Pat White (2009) und dem aktuellen Opfer, First Round Draft Pick Ryan Tannehill, den vierten Versuch starten Dan Marino II zu finden.

Einschlag von RG3

Von den fünf neuen Jungspatzen überzeugte nach der ersten Spielrunde allerdings nur einer. Während Brandon Weedon (Cleveland), Ryan Tannehill (Miami), Russell Wilson (Seahawks) und Andrew Luck (Indianapolis) zusammen für dreizehn Turnovers, davon elf Interceptions, verantwortlich waren und ihre Spiele auch allesamt verloren, schlug ein Mann voll ein: Robert Griffin III.

Der zweite Draftpick des Jahres könnte sich als Glücksgriff der seit Dekaden maroden Washington Redskins erweisen. 19 von 26 Pässen brachte „RG3" an seine Receiver, zwei davon zu Touchdowns. Für 362 der 459 Total Yards der Skins Offense zeigte sich der 22-Jährige höchstpersönlich verantwortlich. Das war zwar nur mal ein Sonntag von vielen die noch folgen werden, aber der Rookie hinterließ zumindest gegen die Saints Defense einen sicheren, ja überragenden Eindruck. Wie stark New Orleans heuer auf der dunklen Seite des Balls sein wird, das lässt sich noch nicht ganz abschätzen. Die von der NFL wegen der „Kopfgeld-Affäre" gesperrten Spieler klagten, bekamen Recht und dürfen vorerst mal aufs Feld. Headcoach Sean Peyton darf das nicht und wird ein Jahr Sperre absitzen. In der Zeit wird O-Line Coach Aaron Kromer den offiziellen Titel des Cheftrainers spazieren tragen.

Das Glück von Denver

Die größten Erwartungen sind mit dem Namen Andrew Luck verbunden. Der erste Draft Pick des Jahres soll allerdings niemand geringeren als Peyton Manning bei den Indianapolis Colts ersetzen. Bei der 21:41 Niederlage der Fohlen in Chicago verschwand Luck am Ende zur Gänze in den überlebensgroßen Fußstapfen seines Vorgängers, brachte rund die Hälfte seiner 45 Pässe an den Mann, dem einen geworfenen Touchdown standen vier Turnovers gegenüber. Das mag noch nicht aussagekräftig sein, aber irgendwie scheint Luck ein Bradford-Schicksal zu drohen, denkt Indianapolis doch langfristig. Von heute auf morgen wird er alleine das Glück nicht zurück nach Indiana holen können. Das haben jetzt andere.

Peyton Manning, der „alte Mann", ist nach seiner hartnäckigen Verletzung wieder fit und wechselte, nachdem man ihn in Indianapolis nicht mehr wollte, zu einer möglichen Top-Adresse 2012. Die Denver Broncos hatten mit Pittsburgh nicht gerade den einfachsten Gegner zum Auftakt und gewannen am Ende souverän mit 31:19. Der mittlerweile 36-jährige Manning komplettierte 73 Prozent seiner Pässe für 254 Yards und zwei Touchdowns. Er blieb fehlerfrei und sah einfach aus wie der Peyton Manning von damals. Einzig an die Farbe des Jerseys muss man sich noch gewöhnen. Tim Tebow, der in der Offseason zu den New York Jets abgegeben wurde, ist in Colorado damit bereits Tim Who? John Elway kann wieder breit grinsen, Jim Irsay muss geduldig sein. Es war schließlich auch der Wunsch des Colts Besitzers, dass man den Blick nach vorne richtet.

Wer zuletzt lacht, lacht mit Rex

Viel und gut zu lachen gab es über die New York Jets in der Preseason. Zunächst holte man Tim Tebow aus dem Denver-Dilemma, um Schöngeist Mark Sanchez mit ein wenig Druck bibelfest zu machen, dann liefen Wetten, ob den Herren überhaupt ein Touchdown vor der Regular Season gelingen wird. Nach Woche eins haben die meisten fertig gelacht, während für Jets Headcoach Rex Ryan das Amüsement gerade jetzt erst richtig beginnt. Ein halbes Dutzend Touchdowns gegen hoffnungslos unterlegene Bills und ein Mark Sanchez als Aschenputtel, der drei davon warf.

Zwar holpert das Laufspiel noch immer ein wenig, Shonn Greene kratzte aber immerhin an der 100er-Marke und machte einen TD und in Summe sah das schon schön kompakt aus, was die Jets da aufs Feld brachten. Herausragend war dabei auf der anderen Seite C. J. Spiller, der schon fast als Niete abgeschrieben wurde und als einziger aus Buffalo mit 169 Rushing Yards den New Yorkern Kopfzerbrechen bereiten konnte.

Was sonst noch geschah

Glatte Favoritensiege der Texans, Falcons, Ravens und Patriots, Zittersiege für die Eagles und Lions. Philadelphia machte gleich dort weiter, wo es im Vorjahr oft war. Irgendwo im nirgendwo. Die Namen klingen so gut - Michael Vick, LeSean McCoy, DeSean Jackson - der 17:16 Erfolg in Cleveland sah aber tendenziell von Quarter zu Quarter grauslicher aus. Geht es so weiter, dann wird es wieder nichts mit dem Playoff, denn mit den Cowboys, Giants und den RG3-Skins wird die NFC East heuer zur Hölle.

Dallas schlug die G-Men zum Auftakt in ihrem eigenen Stadion. Ob der gelernte und daher gleichzeitig auch leidgeprüfte Cowboys-Fan einen durchaus glanzvollen Auftaktsieg (Olé Ogletree!) als gefährliche Drohung, oder doch als ein Versprechen aufnimmt, das ist Einstellungssache, gelten die Texaner doch als Meister des verkehrt herum Spielens von "It's not how you start, it's how you finish". Und Finisher waren sie zuletzt nun eher nicht. Panik wird bei den Giants vorerst nicht ausbrechen, wissen sie auch genau, wie lang das Stück dauert und wie man es richtig zu Ende bringt.

Als die oben genannten QB-Rookies noch Windeltester waren, da schlugen die 49ers die Packers am Lambeau Field. Dann allerdings 22 Jahre lang nicht mehr - bis letzten Sonntag. Jim Harbaugh ist der Mann, San Francisco sein Team und heuer könnte die NFC den Kaliforniern gehören, nachdem sie im Vorjahr eine klitzekleine Knieberührung des Balles davon entfernt waren. Und Green Bay? Cedric Benson kam von den Bengals und sollte das Laufspiel der Packers in Schwung bringen, was leidlich gelang. Also eigentlich funktioniert das gar nicht, wenn wir uns da ehrlich sind, was gegen SF noch kein Beinbruch ist. Heute Nacht geht es gegen Chicago und ein 0-2 will man sich in der NFC North, in der alle drei Konkurrenten einen Sieg in Woche 1 einfuhren, mit Sicherheit nicht antun.

Puls 4 zeigt wieder die NFL

Ganz Puls 4 ist von der UEFA Champions League besetzt. Sollte man meinen, dem ist aber nicht so. Der Sender sicherte sich die Rechte an der NFL für ein drittes Jahr (bzw., nimmt man die Conference Finals und die Superbowl 2010 her, sogar ein viertes), was heißt, dass pro Woche ein Sonntagsspiel der Regular Season und die Play-offs in Form eines Wildcard Games, eines Divisional Play-offs, beider Conference Finals und der Superbowl gezeigt werden.

Insgesamt sind das 22 Spiele, und obwohl man "as live" am vergangenen Sonntag an den Start ging, werden "mehr Live-Spiele denn je" in Aussicht gestellt. Derzeit wird das Studio gesiedelt (vom MQ nach Neu Marx), geplant ist in Woche 4 ein Live-Einstieg ab 23:30 und das erste komplette Live-Spiel in Woche 5 ab 22:25 Uhr. Bei der Sendezeit sollte es dann auch bleiben, wobei in Woche 8 ein kleines Sommerzeit-Problem dazu kommt, wenn die Cowboys die Giants um 21:25 Uhr unserer Zeit empfangen.

Am kommenden Sonntag läuft auf Puls 4 jedenfalls ab 0.30 Uhr das Spiel der Dallas Cowboys bei den Seattle Seahawks. Michael Eschlböck und meine Wenigkeit werden mit der Hoffnung kommentieren, dass Seahawks Quarterback Russell Wilson so spielt wie in der Preseason und nicht wie im ersten Spiel, damit wir auch alle hübsch und munter bleiben. (Walter Reiterer, derStandard.at, 13.9.2012)

NFL, Woche 1, Ergebnisse:

New York Giants - Dallas Cowboys 17:24

Houston Texans - Miami Dolphins 30:10

Cleveland Browns - Philadelphia Eagles 16:17

Minnesota Vikings - Jacksonville Jaguars 26:23 n.V.

Detroit Lions - St. Louis Rams 27:23

New York Jets - Buffalo Bills 48:28

Chicago Bears - Indianapolis Colts 41:21

Tennessee Titans - New England Patriots 13:34

Kansas City Chiefs - Atlanta Falcons 24:40

New Orleans Saints - Washington Redskins 32:40

Green Bay Packers - San Francisco 49ers 22:30

Tampa Bay Buccaneers - Carolina Panthers 16:10

Arizona Cardinals - Seattle Seahawks 20:16

Denver Broncos - Pittsburgh Steelers 31:19

Baltimore Ravens - Cincinnati Bengals 44:13

Oakland Raiders - San Diego Chargers 14:22