An dem, knallt P. sein Bierglas so fest auf den Tisch, dass nebenan ein paar Leute aufschauen, an dem, wiederholt P., läge das sicher nicht. Am allerwenigsten. P. liebt den Augarten. Nicht nur, aber auch in der Nacht. Und auch wenn P. ansonsten kein Anhänger von Verschwörungstheorien ist: Wenn es um das Augarten-Openairkino geht, glaubt er – und lässt sich das auch nicht ausreden – dass sich ganz Wien verschworen hat. Gegen ihn. Und gegen sein liebstes Sommernachtvergnügen.

Es war vor etlichen Jahren. P. und ich waren Nachbarn. Zwischen Wallensteinplatz und Augarten wohnten wir so, dass ich seine Deckenlampen und er mein Bett beobachten konnte. (Zum Glück ist P. ein diskreter Mensch: Bevor er zum Fernglas griff, drehte er das Licht ab. Das macht einen Unterschied. Ehrlich.) Irgendwann in einer dieser heißen Sommernächte der frühen Jahre läutet mein Telephon. P. sagte, wir sollten sofort unsere Badesachen zusammenpacken. Wir würden schwimmen gehen. Wir würden schon sehen.

Zwei Zäune

Über die Mauer zu kommen war kein Problem. Erstens waren wir jung, zweitens hätten wir das gegenüber den Mädchen ohnehin nicht zugegeben. Und drittens waren die Radfahrenverboten- und Parkordnungsschilder an den Toren in den Augarten so angebracht, dass man sie wie Tritte einer Leiter verwenden konnte. Einzig die Spitzen am Tor waren ein bisserl knifflig – aber nach ein paar Minuten waren wir drinnen. Und der Maschendrahtzaun zum Kinderfreibad war sowieso kein Problem. Von da an verbrachten wir einen Gutteil unserer Sommernächte hier. Und wurden nie erwischt.

P. wohnt noch immer am Augarten. Ich bin weggezogen. Nicht ganz freiwillig. Aber das Ende des Nachtschwimmens hat einen anderen Grund: Zuerst wurde das Bad saniert. Uns wäre es ja egal gewesen, aber die Tagesnutzer hatten halt andere Bedürfnisse. Und ehrlich gesagt sind die Brücke und der kleine grüne Drache ja auch in der Nacht recht süß. Aber es sollte eben nicht sein. Denn das „Kino unter Sternen“ zog in den Augarten. Logischerweise genau in der Zeit, die auch nachtbadekompatibel war. Und damit wurde der Park nicht mehr um 21 Uhr geschlossen, sondern erst nach Filmschluss. So lange noch irgendwer im Park war, drehten auch die Sicherheitsleute ihre Runden. Das dauert zu lange.

Dümpeln im Dunkeln

Heuer aber wurde es früher warm. Und eines Abends saßen wir gerade im Nordpol, dem kleinen Gasthaus am Nordtor des Parks, als aus einem der Häuser ein Pärchen kam. Mit Handtüchern. Das Gittertor war zwar schon zu, aber es gibt eine – rege frequentierte – Lücke. Zwei Tage später erzählte P. mir, wie nett es gewesen war. Fast wie früher. Im seichten Wasser könne man herumdümpeln, an den tieferen Stellen beinahe schwimmen. Und die drei vier Leute die außer ihm hier gewesen sein, hätten den Codex offenbar gekannt: Kein Dreck, keine Spuren, keine Zerstörungen – weil sonst die Badbetreiber auch offiziell merken müssen, dass nicht nur Kinder mit Begleitpersonen hier im Wasser planschen.

Nur eines, erzählte P. habe sich geändert: Das Klettern sei leichter. Die runden Verkehrsschilder am Tor sind nämlich oben so abgeschnitten, dass sie nicht krumme, sondern gerade Sprossen abgeben. Und auch die Gitterspitzen habe man entfernt. Außerdem ist klettern sowieso nicht nötig: Eines der Tore ist nur angelehnt. Das habe er beim ersten Besuch noch für einen Zufall gehalten, sagt P. Aber mittlerweile habe er seinen Irrtum erkannt.

Das „Kino unter Sternen“ mache ihn deshalb umso trauriger. Eigentlich sogar zornig. Weil am 10. Juli jetzt wieder Schluss mit dem Sommernachtbaden vor der Haustür sein wird. Jetzt bliebe ihm, seufzt P., nur mehr der Winter. Denn den verwunschen-romantischen verschneiten und menschenleeren Park bei Nacht würde ihm die Wiener Eventkultur doch wohl lassen. Hoffentlich.

Nachlese

--> Marina
--> Happels Herzblut
--> Kaffeehausleiden, fortgesetzt
--> Blauklötze
--> Mariahilfer Straße, 7.02 Uhr
--> Roadrunner und Würstelmaus
--> Balkonien

--> Lifeballkarten
--> Kunstraub
--> In der Lagunenstraße
--> Banales Kreuzungsgeschehen
--> Der Mitesser

--> Gratis parken
--> Sternmarsch
--> Wie bei Oma
--> Ein Geschenk

--> Speckgürtel
--> Valentinsdebakel
--> Die Mulde
--> Die Tunnel unter der Stadt
--> Flugrattenpflege

--> Telefonieren für 0 Cent
--> Spaß mit den Nachbarn
--> Drei Zentimeter
--> Noch ein Zimmer
--> Eleanor Rigby

--> Quartierschreberei revisited
--> Weitere Stadtgeschichten ...