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Eine Beschwerde gegen ein Demonstrationsverbot kann in großen Städten nur bei der Landespolizeidirektion eingebracht werden - die die Demo zuvor verboten hat.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Mit der Polizeireform, die am 1. September in Kraft getreten ist, haben sich die Hüter der öffentlichen Ordnung schlankere Strukturen gegeben. Der Rechtsschutz von Bürgern gegen Demonstrationsverbote und andere demokratiepolitisch sensible Entscheidungen sei dadurch jedoch ausgehungert worden, kritisieren Anwälte, Rechtsberater und Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser.

"In allen größeren Städten entscheiden jetzt die Landespolizeidirektionen beispielsweise über die Zulassung oder Untersagung einer Demonstration. Wird diese verboten und man will dagegen berufen, so muss man das gleichfalls bei der Landespolizeidirektion tun", schildert Roland Pichler, Jurist bei der Wiener Rechtsberatung Solidaritätsgruppe.

Betroffen von dieser "die Meinungsfreiheit einschränkenden Änderung" seien alle Landeshauptstädte außer Bregenz sowie Leoben, Schwechat, Steyr, Villach, Wiener Neustadt und Wels: Durch das Zusammenlegen von Bundespolizei- und Sicherheitsdirektionen sowie Landespolizeikommanden in je nur eine Landespolizeidirektion pro Bundesland fehle dort der bisherige Instanzenzug mit den Sicherheitsdirektionen als Berufungsinstanzen; in ländlichen Regionen bleiben diese in Gestalt der Bezirksverwaltungsbehörden bestehen.

Problem in den Städten

Damit, so der Grüne Steinhauser, sei es "gerade in den Städten, wo bekanntlich weit mehr Demonstrationen als am flachen Land stattfinden, zu einer rechtsstaatlich problematischen Situation gekommen". Und diese beschränke sich nicht auf das Versammlungsrecht: "Die Sache betrifft zum Beispiel auch Bescheide über die Zurückweisung von Akteneinsicht nach Observationen, wegen erkennungsdienstlicher Behandlung sowie fremdenpolizeiliche Entscheidungen."

Dies, so der Grüne, habe er auch in Innenausschuss vor der Beschlussfassung der Polizeireform im heurigen April zur Sprache gebracht: "Vertreter anderer Parteien hat das nicht interessiert."

Experten überlegen rechtliche Schritte

Vielmehr hätten sie auf das Jahr 2014 verwiesen, wenn im Zuge der Verwaltungsreform die neuen Landesverwaltungsgerichte ihre Arbeit aufnehmen werden: Sie sollen auch derlei Berufungen behandeln. Dass diese Gerichte gegründet werden sollen, wurde im Nationalrat vor der heurigen Sommerpause bereits beschlossen. Doch ob sie auch wirklich jene Aufgabe übertragen bekommen, ist bis dato gesetzlich nicht festgelegt. "Das steht derzeit nur in der Regierungsvorlage", meint Rechtsberater Pichler.

Daher erwägen er und andere Rechtsexperten juristische Schritte: "Ich stehe für eine Verfassungsklage Gewehr bei Fuß", sagt der Anwalt Georg Bürstmayr. Während man im Innenministerium die Kritik nicht versteht: "Über Berufungen entscheidet innerhalb der Landespolizeikommandos eine andere Stelle. Erste Instanz: die Abteilung. Zweite Instanz: die Büroleitung", meint dort eine Sprecherin. (Irene Brickner, DER STANDARD, 11.9.2012)