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Hollande will sein Land aus der Krise führen.

Foto: Reuters/Triboullard

Eigenlob hinkt. "Es ist ein beachtliches Vorhaben und in der Geschichte der Fünften Republik noch nie vorgekommen", meint François Hollande zu seiner "Agenda 2014", wie er sein Reformprogramm am Sonntagabend bei einem Auftritt im größten TV-Sender TF1 nannte. Die Anspielung auf die legendäre "Agenda 2010" des deutschen Exkanzlers Gerhard Schröder liegt auf der Hand. Unter anderem will Hollande den Arbeitsmarkt "flexibler" gestalten - was unweigerlich an die Hartz-Reformen des SPD-Politikers gemahnt.

So radikale Einschnitte sieht aber nur Le Parti de Gauche vor: Die Vizepräsidentin der französischen "Linken", Martine Billard, spricht von sozialem Aderlass. Andernorts hagelt es Kritik am Fehlen richtiger Eingriffe. "Nicht jeder, der will, ist ein Schröder", kommentiert die linksliberale Zeitung Le Monde. Politisch gleich gelagert, wirft Le Nouvel Observateur Hollande vor, er mausere sich vom "normalen" zum "banalen" Präsidenten, der Worthülsen von sich gebe, statt zu agieren. Hollande erklärte unüblich dramatisch, Frankreich befinde sich in einer "Kampfsituation", um anzufügen: "Ich gebe Gas." Bei Le progrès löst das Ungläubigkeit aus: "Hollande sarkosiert sich", meint die Hauptzeitung von Lyon eingedenk des wirkungslosen Herumwirbelns des Vorgängers. Das konservative Wochenmagazin Le point gibt zu bedenken, eine Kampflage erfordere auch Kampfmaßnahmen - und davon sei nichts zu spüren.

Gerüffelt wird Hollande auch für konkretere Ankündigungen. Er gibt zwar an, dass er jährlich 10.000 Lehrstellen schaffen wolle, sein Versprechen, zur Kompensation gleich viele Jobs im Staatsapparat abzubauen, präzisiert er nicht. Hollande verspricht zudem, das Budgetdefizit 2013 auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Die EU-Kommission applaudierte, ergänzte aber skeptisch, man warte auf Details des französischen Haushaltentwurfs.

Wegen des rückläufigen Wachstums - Hollande reduzierte die Prognose von 1,2 auf 0,8 Prozent - muss Frankreich mehr als 30 Milliarden Euro einsparen, um das Budgetziel einzuhalten. Der Präsident will deshalb die öffentlichen Ausgaben auf dem heutigen Stand einfrieren. Da die Teuerung nicht stehenbleibt, soll dies einem Ausgabenschwund von zehn Milliarden Euro entsprechen. Die bürgerliche Oppositionspartei UMP bezweifelt dies: Defizitabbau beginne bei Ausgabenkürzungen, nicht durch die Erhöhung der Abgaben.

Reiche Bürger sollen Patrioten sein

Mehr Nachsicht findet in den Pariser Medien die Absicht, hauptsächlich die Großverdiener zur Kasse zu bitten. Wer mehr als 150.000 Euro im Jahr verdient, rutscht in eine neue Besteuerungskategorie und muss 45 Prozent an den Fiskus abliefern. Das ist aber immer noch weniger als die Millionenverdiener, die 75 Prozent der Einkünfte verlieren. Dieses Wahlversprechen Hollandes hatte zuletzt viel zu reden gegeben, da der reichste Franzose Bernard Arnault die belgische Staatsangehörigkeit beantragt. Arnault erstattete gegen die Zeitung Liberation Anzeige wegen öffentlicher Beleidigung. Diese hatte getitelt: "Hau ab, du reicher Idiot!" Einzelne Kommentatoren bezeichnen die 75-Prozent-Steuer als "konfiskatorisch"; Hollande entgegnete, gerade die reichsten Bürger müssten sich als Patrioten zeigen und einen höheren Beitrag zum Aufschwung Frankreichs leisten.

Mit diesem Argument punktete der sozialistische Staatschef mehr als mit seinem als schleppend geltenden Reformkurs. Er versuchte dieser Kritik zuvorzukommen, indem er erklärte: "Ich kann doch nicht in vier Monaten leisten, was meine Vorgänger in fünf oder zehn Jahren nicht geschafft haben." Spötter räumen ein, Hollandes Wahlkampfslogan "Der Wandel jetzt" sei gar nicht zu viel versprochen gewesen - schließlich sei er auch noch in hundert oder tausend Jahren gültig.(Stefan Brändle, DER STANDARD; 11.9.2012)