Der Tiroler Martin Legner (50) hat bereits hunderte Turniere gewonnen. Eine Medaille bei den Paralympics hingegen blieb ihm versagt. In seinem Sport gibt es keine Unterteilung nach dem Grad der Behinderung.

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Martin Legner als Paralympics-Tourist zu schelten, wäre absurd. Das fiele nicht einmal einem Minister ein, der sich in einen Pallawatsch hineingeredet hat. Zugegeben, Legner könnte das paralympische Dorf längst verlassen haben, ist er doch im Einzel und Doppel des Rollstuhltennis-Turniers schon seit Wochenanfang nicht mehr vertreten. Der Tiroler wäre seinen sportlichen Gewohnheiten gemäß auch schon längst weg, spielten nicht am Sonntag bei der Schlussfeier im Olympiastadion Coldplay auf. "Kann ich mir nicht entgehen lassen", sagt Legner, und die Augen glänzen wie das Flinserl im rechten Ohr des Tirolers aus Mils.

Dass der seit einem Paragleit-Unfall 1988 querschnittgelähmte Agraringenieur von seinen sechsten Spielen wieder ohne Medaille auf seinen Bauernhof heimkehren wird, ist, nun ja, eine Ironie des Schicksals. Denn Legner, der 1992 in Barcelona im Doppel und 2000 in Sydney im Einzel jeweils das Spiel um Platz drei verloren hat, ist der Tennisspieler mit den meisten Turniersiegen aller bisherigen und vermutlich auch kommenden Zeiten. 74 Mal triumphierte er im Einzel, mehr als 200 Mal im Doppel. Dass er mit seinen mehr als 1000 Einzelsiegen sogar einen Roger Federer abhängt, amüsiert Legner ebenso wie die dann angesichts seiner Behinderung eigentlich immer unterbleibenden Versuche, ihn davon zu überzeugen, dass das irgendwie nicht vergleichbar sei.

Vergleichbar ist Rollstuhltennis mit dem Tennis der Nichtbehinderten insofern, als es schon lange im Rahmen des internationalen Verbandes (ITF) professionell betrieben wird. Legner ist eines der Aushängeschilder im Zirkus, er war im Doppel schon Nummer eins und im Einzel Nummer drei. Seit einer Schulterverletzung geht es dem Vollprofi nicht mehr ganz so leicht von der Hand, zum gegenwärtig 15. Platz im Einzelranking reicht es aber.

Das Erfolgsgeheimnis des Rollstuhltennis sieht Legner auch in seiner klaren Struktur. Es gibt keine Unterteilungen nach Behinderungsgrad, sondern wie beim herkömmlichen Profitennis Abstufungen nach Preisgeld. Bestrebungen, diese Einklassengesellschaft aufzubrechen, sind ihm und seinen ähnlich erfolgreichen Kollegen selbstredend ein Dorn im Auge. "Damit würde man den Sport kaputtmachen."

Medaillenflut

Dementsprechend ist auch die Position des dreifachen Vaters in der Diskussion um die Zusammenlegung von Klassen. Die freilich etwa Rennrollstuhlfahrer Thomas Geierspichler als unfair beklagt, weil Menschen mit schwereren Behinderungen, wenn schon nicht von den Spielen, so doch von den Medaillenentscheidungen ausgeschlossen würden. "Mach ich den Sport der Medaille wegen?", hält Legner entgegen. Dass in London im Sprint über 100 Meter bei den Damen 14 und den Herren 15 Paralympics-Sieger gekürt wurden, ist für Legner nicht nachvollziehbar. "Und für die Leute auch nicht. Es gibt Klassen, da treten vier, fünf Sportler an, da kann ich die Medaillen gleich per Post verschicken. Das hat mit Spitzensport nichts zu tun. Und als Spitzensportler wollen wir doch anerkannt sein."

Er neide niemandem seine Medaille, sagt Legner, redet aber einer Reduzierung der Bewerbe das Wort, wie sie im paralympischen Skilauf mit dem sogenannten Crack-System durchgezogen wurde. Seit Turin werden die einzelnen Behinderungsklassen in die Kategorien sehbehindert, sitzend und stehend zusammengefasst. Jeder erhält einen Faktor nach Grad der Behinderung, den der Computer in die laufende Zeitrechnung einbezieht.

In den fünf Bewerben gibt es bei Damen und Herren jeweils insgesamt 15 Goldmedaillengewinner. Dass dieses System im Sommer in vielen Sportarten nur schwer angewandt werden kann, gibt Legner zu. "Aber wenn ich hundert Kilo habe, kann ich auch kein erfolgreicher Skispringer werden. Und mit 1,60 Metern werde ich kein Basketballprofi. Damit muss ich mich abfinden." (Sigi Lützow, DER STANDARD, 8.9. 2012)