Wenn man es ganz streng nimmt und aus dem amerikanischen Südosten kommt, dann gibt es nur eine Sache, die den Namen Barbecue verdient: Pulled Pork oder zu Deutsch "Schwein, das so lange geräuchert wurde, dass man es problemlos mit den Händen auseinanderzupfen kann". Besonders beliebt: die Schulter, die geräuchert im Slang als "Mr. Brown" firmiert, in Anspielung auf die dunkelbraune, fast teerige Farbe, die ein stundenlang geräuchertes Stück Schwein entwickelt. Um sie soll es heute gehen.

Leider habe ich noch nie ein Pulled Pork in seiner natürlichen Umgebung gegessen: Den Südosten der USA habe ich bis auf Florida noch nie besucht, mir fehlt daher die Messlatte. Was man in Österreich als "Teilsames" bekommt, ist zwar vom Prinzip her ähnlich, so richtig zupfweich habe ich es aber bisher nicht gegessen, zudem fehlt ihm die scharfe Würze. Mein Vorbild kam daher eher aus Marokko. Dort werden ganze Schafe in kleine Erdhöhlen gehängt, in denen Holzscheite vor sich hinglosen. Nach vielen Stunden, wenn das Fleisch fast von selbst vom Knochen fällt, werden sie herausgeholt und mit Weißbrot und Gewürzen serviert.

Das Ergebnis ist vom Aroma her, nun ja, urig, kräftig, animalisch, aber von der Konsistenz ein echter Hit: Nichts verwandelt zähes Fleisch so zuverlässig in einen köstlichen Fleischpudding wie langsame, trockene (Glut-)Hitze. An ein ähnliches Ergebnis, bloß mit mehr Raucharoma und Würze, habe ich jedenfalls gedacht, als mich darangemacht habe, eine Schweinsschulter zu Brei zu räuchern. Es hat ein paar Anläufe gebraucht, weswegen dieser Eintrag leider erst am Ende der Grillsaison kommt. Beim Sommerabschluss-Barbecue mit Freund M. hat es dann aber ziemlich gut geklappt.

Foto: Tobias Müller

Nun ist eine Schweinsschulter nicht so fett wie etwa eine Schafsstelze, in der Mitte kann sie sogar fast etwas trocken werden. Wer aber nur die Haut abschneidet und den Fettrand dranlässt, hat genug rauchiges Fleischpudding-Fett, das er, einmal zerzupft, mit dem trockeneren Fleisch mischen kann.

Der Amerikaner teilt die Schweinsschulter in zwei Cuts, den Boston Butt und das Picnic. Im Picnic sitzt das Schulterblatt, der Butt ist dicker, hat keine Knochen, weniger Fett und Sehnen. In Österreich gibt es diese Begriffe nicht, wer eine Schweinsschulter ordert, bekommt aber überlicherweise das, was dem Picnic entspricht. Aus dem dickeren, schulterblattlosen Teil wird gerne Rollschinken gemacht (danke, Frau Ringl, für die fachliche Auskunft). Wenn nicht die ganze Schulter geräuchert wird, landet in den USA eher der Butt auf dem Grill, ich würde aber aufgrund des größeren Fettgehalts zum Picnic greifen.

Manche Schulterzupfer machen ihr Schwein ausschließlich auf dem Grill beziehungsweise in der Räucherkammer, andere, etwas pragmatische Köche schieben es zur finalen Behandlung einige Stunden zum Dampfgaren in den Ofen. Meine reine Räucherschulter war sieben Stunden auf dem Grill und danach immer noch nicht ganz weich in der Mitte. Ich habe sie daher grob zerteilt, mit ihrem Saft in Alufolie gepackt und weitere zwei Stunden auf dem Grill gegart. Das Ergebnis war perfekt. Zum Vergleich: Das Stück, das vier Stunden auf dem Grill und drei Stunden mit etwas Wasser zugedeckt im Rohr gelandet ist, war zwar schon nach sieben Stunden weich, dafür aber ein wenig trockener.

Um die ganze Sache trotzdem etwas weniger aufwendig zu machen: Es ist nicht nötig, es die gesamte Zeit zu räuchern, die ersten vier Stunden reichen aus. Mobben, also das Bestreichen mit Sauce während des Grillens, braucht es meiner Meinung nach ebenfalls nicht. Ich finde den Dry Rub bereits ausreichend würzig. Was ich bisher nicht ausprobiert habe, ist, die Schulter vor dem Räuchern ein, zwei Tage zu pökeln. Ich denke, das täte ihr durchaus gut.

Noch ein paar Worte zur Sauce: Wer dazu recherchiert, bekommt den Eindruck, dass die Bewohner North und South Carolinas sich im Streit darüber bereits gegenseitig ausgerottet haben müssen, so oft wird in einschlägigen Schriften betont, dass dieses Thema Anlass für zahlreiche Auseinandersetzungen ist. Grob gesagt scheint es so zu sein: Je weiter im Westen der Carolinas, desto mehr Ketchup. Im Osten hingegen ist die Sauce tomatenfrei.

Weil ich aber abseits von grünem Curry eine generelle Skepsis gegenüber Saucen habe, die aus allzu vielen allzu geschmacksstarken Komponenten bestehen, habe ich auf die Light-Variante gesetzt: Vaunted Vinegar Sauce nennen diese Barbecue-Kapazunder sie in ihrem Buch "Smoke and Spice". Man könnte auch gewürzter Apfelessig dazu sagen. Klingt seltsam, schmeckt einfach so gelöffelt nicht besonders toll, macht sich aber wirklich erstaunlich gut auf dem Fleisch. Es gibt ihm etwas, was man einer stundenlang geräucherten Schweinsschulter wirklich nicht zutrauen würde: Frische.

The Renowned Mr. Brown (ganz ohne ihn zu kennen zubereitet)

Foto: Tobias Müller

Zuerst den Dry Rub mischen. Ich habe auch hier auf eine vergleichsweise gewürzarme Variante gesetzt, die hier zu finden ist. 10 Gramm frisch gemahlener Pfeffer, 3 Gramm Cayenne, 16 Gramm Chillipulver, 16 Gramm gemahlener Koriander, 13 Gramm brauner Zucker, 2 Gramm getrockneter Oregano, 32 Gramm Paprikapulver (ideal: Pimenton) und 40 Gramm Salz einfach vermischen. Reicht leicht für drei Kilo Schulter.

Foto: Tobias Müller

Anschließend die Sauce ansetzen: 400 Milliliter Apfelessig, 25 Gramm braunen Zucker, zehn Gramm Salz und nach Belieben schwarzen gemahlenen Pfeffer mischen und stehen lassen bzw. schütteln, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Reicht ganz leicht für drei Kilo Schulter.

Einem schönen Stück Schweinsschulter die Haut abziehen, aber das Fett unbedingt dranlassen. Mit dem Dry Rub einreiben, in Frischhaltefolie wickeln und mindestens über Nacht, noch besser 24 Stunden einziehen lassen.

Foto: Tobias Müller

Den Griller (oder Smoker) auf etwa 130 Grad bringen. Die gern empfohlenen 100 fürs Barbecue sind meiner Meinung nach einfach zu wenig, es dauert bei dieser Temperatur ewig, das Schwein ausreichend zu garen. Kohlen auf die eine Seite legen, die Schulter auf die andere.


Foto: Tobias Müller

Räucherholz platzieren, Deckel schließen und in den kommenden neun Stunden nur öffnen, um Kohlen und/oder Holz nachzulegen, was nicht allzu oft passieren sollte. Ich bin Laufe des Sommers von den Holzchips zum Räuchern abgekommen und setze nun lieber auf kleine, selbst gehackte Buchenholzscheite (Dank an S., der sie nicht nur bereitstellt, sondern sich für sie sogar gelegentlich in den Finger schneidet!). Die Scheite halten länger und bieten eine gleichmäßigere Rauchentwicklung.

Foto: Tobias Müller

Nach dem Räuchern etwas abkühlen lassen, in Stücke teilen (etwa mit zwei Gabeln und besser nicht so klein wie auf dem letzten Bild) und je nach Geschmack mit der Essigsauce übergießen. Traditionell wird Pulled Pork mit Burger-Bun und Cole Slaw serviert. Ich habe auf beides verzichtet.

Foto: Tobias Müller
Creamed Corn und Fisolen machen sich im Spätsommer auch sehr gut dazu – vor allem, wenn dem Mais seine geniale Partnerin, die Limette, untergemischt wurde.
Widerruf
Im letzten Gruß aus der Küche habe ich behauptet, die Schweden würden Flusskrebse mit Tomatensauce essen – was, wie mir zahlreiche Leser und Poster mit zahlreichen Freunden/Verwandten/Vorfahren aus Schweden versichern, ein völliger Unsinn ist. Ich widerrufe hiermit diese Behauptung als unwahr und entschuldige mich. (Tobias Müller, derStandard.at, 9.8.2012)