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Länger arbeiten statt lange den Lebensabend genießen? Derzeit zählt Österreich in Sachen Beschäftigungsquote in der Gruppe der Personen zwischen 55 und 64 Jahren zu den europäischen Schlusslichtern.

Foto: Reuters/Blake

Alpbach - EcoAustria hat einen fiktiven Geldkoffer mit zum Europäischen Forum Alpbach gebracht. Das wirtschaftsnahe Forschungsinstitut sieht gewaltiges Potenzial zur Budgetentlastung in einer Anhebung der Erwerbstätigkeit Älterer. Derzeit zählt Österreich mit einer Beschäftigungsquote von knapp 43 Prozent in der Gruppe der Personen zwischen 55 und 64 Jahren zu den europäischen Schlusslichtern und zufällig auf jenem Niveau, das Deutschland im Jahr 2000 verzeichnete. Würde nun die seit diesem Jahr im großen Nachbarland erzielte Steigerung der Erwerbstätigkeit um gut ein Fünftel auf Österreich übertragen, würde das die Bruttoeinkommen um zehn Mrd. Euro erhöhen.

Das wäre auch für den Staat äußerst lukrativ. Er würde um 7,4 Prozent entlastet, weil er nicht nur an der höheren Beschäftigung mitnaschte, sondern sich auch Arbeitslosen- oder Pensionsleistungen ersparte. Die von EcoAustria im Auftrag der Industriellenvereinigung erarbeitete Studie kommt zu dem Ergebnis, dass vom Anstieg der Beschäftigten um 226.000 Personen Frauen (126.000) stärker profitieren als Männer (100.000).

Wie sieht es nun mit dem oft vorgebrachten Argument aus, dass höhere Altersbeschäftigung die Jobchancen der Jungen verschlechtere? Das habe sich weder in Deutschland gezeigt, noch lasse sich die These anderweitig empirisch belegen, heißt es sinngemäß in der Studie. Zudem habe sich auch die erhöhte Zuwanderung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs großteils in mehr Beschäftigung und nur zu einem geringen Teil in höherer Arbeitslosigkeit niedergeschlagen.

Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, sieht die Erhöhung der Erwerbstätigkeit Älterer als vorrangiges Ziel an. Damit könnten Potenziale ausgeschöpft werden, um den zukunftsorientierten Anteil der Budgetausgaben wie Bildung und Familie von derzeit einem Viertel deutlich anzuheben. Eine Umorientierung sei notwendig, um einen "Kollaps des Systems zu verhindern", ohne Gegenmaßnahmen drohten Ge nerationenkonflikte, erklärte Kapsch. Gerade bei Reformen im Pensionsbereich gehe es aber nicht nur um Lenkungsmaßnahmen, sondern auch um Einstellungen der Bürger. So streben laut Studie hierzulande 57 Prozent der Männer eine vorzeitige Pensionierung zwischen 60 und 64 an, in Deutschland bloß 29 Prozent. Bei den Frauen ist der Unterschied noch eklatanter.

Kapsch sprach sich zudem für eine "Fließpension" aus, bei der die Leistung von den eingezahlten Beiträgen und der restlichen Lebenserwartung abhängt. Damit erübrige sich ein gesetzliches Pensionsalter. Er spricht sich ansonsten aber für ein höheres Antrittsalter nach dem Muster Deutschlands aus (67 Jahre bei Männern). "Wenn es keine Fließpension gibt, müssen wir mit dem Antrittsalter in die Höhe gehen", sagte der neue IV-Chef Georg Kapsch am Dienstag in Alpbach. Auch das Pensionsalter für Frauen müsse schneller nach oben angeglichen werden. Die Altersteilzeit bezeichnete Kapsch als "Schlupfloch", das geschlossen werden müsse.

"Warnsignal"

Rückendeckung erhielt die Industrie von der Wissenschaft. Christian Keuschnigg, Chef des Instituts für Höhere Studien, plädierte ebenfalls für eine stärkere Anhebung des effektiven Pensionsalters. Ohne diesen Schritt drohten Leistungsreduktionen und Beitragserhöhungen.

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) findet, dass viele Frührentner wieder auf den Arbeitsmarkt zurückgebracht werden könnten, würde man sie nicht in Frühpension schicken, sondern in Therapie. In Alpbach sprach sie Invaliditätsrentner mit Drogenproblemen oder Bandscheibenproblemen an, womit sie sich Widerspruch von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) einhandelte. Dieser verwahrte sich dagegen: die Masse der Invaliditätspensionisten würde keinen Joint rauchen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; 29.8.2012)