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Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan verfolgt ein klares Rezept: Weniger Staatsausgaben, und der Aufschwung wird schon kommen.

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Die Thesen einiger österreichischer Ökonomen feiern mitten im US-Wahlkampf ein Comeback. Die Republikaner nutzen vor allem die Werke Friedrich Hayeks für ihren Kampf gegen einen starken Staat.

 

Wer verstehen will, wie Republikaner und Demokraten ticken, findet bei Amazon Hilfe. Der Onlinehändler bietet im Präsidentschaftswahlkampf ein Ranking der beliebtesten politischen Bücher in den USA an. Amazon hat eine Liste mit 250 eher rechten (republikanischen) und 250 eher linken (demokratischen) Werken zusammengestellt. Die größte Überraschung liefert die republikanische Bestsellerliste: Auf Rang 16 der meistbestellten Werke findet sich dort zwischen lauter Neuerscheinungen Der Weg zur Knechtschaft (The Road to Serfdom).

Das 1944 erschienene Buch des aus Österreich stammenden Ökonomen Friedrich Hayek ist eine Kampfschrift für den Wirtschaftsliberalismus. Bereits kleinste staatliche Eingriffe in den Markt führen in die Despotie, argumentiert Hayek, weshalb sich der Staat aus dem Wirtschaftsleben gefälligst raushalten sollte. Was aber macht das Werk fast 70 Jahre nach seinem Erscheinen so populär?

Die Antwort darauf heißt Paul Ryan: Seitdem der Republikaner seine Kandidatur für die Vizepräsidentschaft bekanntgab, ist in den USA ein Hype um Hayek entstanden. Ryan bezeichnete den 1992 verstorbenen Ökonomen als eine seiner großen Inspirationsquellen. In seiner "Roadmap for America's Future", einem Plan zur Sanierung des Haushaltes mittels Kürzungen bei Gesundheitsausgaben, erwähnt Ryan Hayek im selben Atemzug mit US-Präsident George Washington.


Zweites Comeback


Streng genommen feiert Hayek sein zweites Comeback: Die Tea Party nimmt seit 2009 öfter Bezug auf den Österreicher. Die konservative Abgeordnete Michele Bachmann bezeichnet seine Bücher als ihre liebste Strandlektüre. Die Tea Party hat neben Hayek auch andere Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie wie Ludwig von Mises zu neuer Beliebtheit verholfen.

Dabei nutzen die Republikaner Hayek und Mises als vermeintliche Belege, um zu zeigen, dass ein starker Staat gefährlich ist und die USA stattdessen mehr individuelle Freiheit, mehr Wettbewerb - sprich mehr Kapitalismus - brauche. "Ryans Bezüge auf Hayek sind oberflächlich. Aber es geht ihm nicht um Details, sondern um die ideologische Grundausrichtung", sagt Peter Boettke von der George Mason University, einer Hochburg der Hayekianer.

In den USA spielt das politische Bekenntnis zum freien Markt eine traditionell wichtigere Rolle als in Europa. Daher ist weniger der Rückgriff auf Hayek überraschend als dessen Zeitpunkt: Die USA erleben seit 2008 die schwerste Krise der Marktwirtschaft seit den 1930er-Jahren. Der Bankencrash hat die Steuerzahler hunderte Milliarden Dollar gekostet. Wieso floriert also der Ruf nach mehr Kapitalismus gerade jetzt?

Für den kalifornischen Ökonomen Barry Eichengreen sind die Werke der "Austrians" der ideale Ansatzpunkt für einen ideologischen Gegenangriff auf das System Obama. Seit 2008 stehen sich zwei Narrative über die Ursachen der Krise gegenüber, sagt Eichengreen im Standard-Gespräch.

Die erste lautet, dass die Deregulierung in der Finanzwirtschaft zum Crash führte. Die zweite, dass erst Interventionen der US-Notenbank und staatlichen Rettungspakete die Krise befeuerten. "Während sich der erste Standpunkt wissenschaftlich belegen lässt, etwa mit Zahlen zum Spekulationsverhalten, gibt es für die zweite These keine empirischen Grundlagen. Um diesen Mangel auszugleichen und Belege für ihre Ideologie zu finden, greifen Ryan und die Tea Party auf Hayek zurück", meint Eichengreen. Obama hat zudem ein 787 Milliarden Dollar schweres Stimuluspaket aufgelegt, betreibe also "mild" keynesianische Politik. "Das provoziert die Gegner eines starken Staates."

Ähnlich argumentiert der Philosoph Boris Groys: Um nach dem Crash mit dem Ruf nach "mehr Markt" punkten zu können, hätten die Konservativen eine Kernthese entwickelt, wonach der Kapitalismus in den USA eigentlich "nie wirklich stattgefunden hat, ein unerfülltes Versprechen blieb". Die Lehre aus der Krise sei demnach, dass weniger Regeln nötig sind, damit der Kapitalismus einwandfrei funktionieren kann. Für diese Argumentation findet sich bei den Austrians viel Material. (András Szigetvari, DER STANDARD, 28.8.2012)